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28.06.2024 /11:39:44
HINTERGRUND-Huawei will mit HarmonyOS unabhängig von Windows und Apple werden

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Huaweis Betriebssystem wird von Peking gefördert

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HarmonyOS in China beliebter als Apples iOS

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Abkopplung von Android und iOS schreitet voran
 
- von David Kirton
Shenzhen, 28. Jun (Reuters) - In einem kleinen, hell
beleuchteten Raum präsentiert der chinesische
Elektronik-Hersteller Huawei Drohnen, zweibeinige Roboter und
Supermarktkassen - sie stehen für eine Vision von Chinas
Software-Zukunft. Eine Zukunft, in der das Betriebssystem von
Huawei die westlichen Konkurrenz-Systeme Windows und Android
ersetzt hat.

Ausgestellt sind die Geräte im Harmony Ecosystem Innovation Centre, einer von der lokalen Regierung betriebenen Einrichtung in der südchinesischen Metropole Shenzhen. Diese ermutigt Behörden, Unternehmen und Hardware-Hersteller dazu, Software mit OpenHarmony zu entwickeln. Dabei handelt es sich um eine frei zugängliche Version (Open Source) des Betriebssystems, das Huawei vor fünf Jahren infolge von US-Sanktionen und entzogenen Lizenzen für das von Google <GOOGL.O> entwickelte Android ins Leben gerufen hatte.

Während sich die jüngst auf den Markt gebrachten Smartphones von Huawei zu Verkaufsschlagern entwickeln, hat das Unternehmen auch Expertise in Schlüsselsektoren wie Betriebssystemen und Fahrzeugsoftware aufgebaut - wichtige Bausteine für Pekings Ziel einer technologischen Unabhängigkeit. "Dieser strategische Schritt wird wahrscheinlich den Marktanteil westlicher Betriebssysteme wie Android und Windows in China schmälern, da lokale Produkte an Boden gewinnen", sagt Sunny Cheung von der Jamestown Foundation, einer US-Denkfabrik mit Schwerpunkt auf Verteidigungspolitik. Allerdings erwirtschaftet Microsoft nach eigenen Angaben nur etwa 1,5 Prozent seines Umsatzes in China.

"CHINA LERNT VOM WESTEN"

Huawei stellte Harmony erstmals im August 2019 vor, drei Monate nachdem die US-Regierung das Unternehmen wegen mutmaßlicher Sicherheitsbedenken mit Handelsbeschränkungen belegt hatte. Der Konzern weist die Anschuldigungen zurück, dass seine Ausrüstung ein Risiko darstelle. Seitdem wächst in China die Sorge, dass andere große Unternehmen von den Microsoft <MSFT.O>-Produkten Windows und Android abgeschnitten werden könnten, auf die sich viele Systeme im Land stützen.

Ursprünglich basierte das Betriebssystem von Huawei auf Android, was sich mit der neuen Version von HarmonyOS allerdings geändert hat. In diesem Jahr brachte die Firma erstmals eine Version heraus, die Android-Apps nicht mehr unterstützt. Mit der deutlichen Abkehr von Android geht Huawei den nächsten Schritt, um chinesische App-Systeme weiter von der restlichen Welt abzukoppeln. "Harmony hat ein leistungsfähiges Grundbetriebssystem für die Zukunft der Geräte in China geschaffen", sagte Huawei-Verbraucherspartenchef Richard Yu bei der Eröffnung der hauseigenen Developers Conference vergangene Woche.

Innerhalb der Volksrepublik wird OpenHarmony nun als "nationales Betriebssystem" stark beworben. Mit Erfolg: Inzwischen hat HarmonyOS das Konkurrenz-System iOS von Apple auf der Beliebtheits-Skala in China überholt, wie aus Daten der Marktforscher von Counterpoint hervorgeht. Gemessen an Verkaufszahlen hatte es im zweiten Quartal nur noch Android vor sich. Außerhalb Chinas kam das System bisher aber nicht in Smartphones zum Einsatz.

Die Regierung in Peking hat ein klares Ziel vor Augen. Hinter der Open-Source-Strategie stecke der Wunsch, den Erfolg von Android zu wiederholen, sagte Charlie Cheng, der stellvertretende Leiter des Harmony Ecosystem Innovation Centre. Dies solle gelingen, indem Lizenzkosten für Nutzer entfallen und Unternehmen eine anpassbare Basis für ihre eigenen Produkte erhalten. "Harmony wird definitiv zu einem Mainstream-Betriebssystem heranwachsen und der Welt neben iOS und Android eine neue Betriebssystemwahl bieten", sagte er. "China lernt vom Westen."

(Geschrieben von Philipp Krach, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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