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20.06.2024 /15:00:00
STICHWORT-Deutschland hinkt bei Fusionen und Übernahmen hinterher

(frei zur Veröffentlichung - auch online - ab 24. Juni)
20. Jun (Reuters) - Das Geschäft mit Fusionen und
Übernahmen (M&A) kommt in Deutschland nicht recht in Schwung. In
den ersten sechs Monaten gab es nur vier Übernahmen im Volumen
von zwei Milliarden Euro und mehr, wie aus dem vierteljährlichen
"League Tables" des Londoner Börsenbetreibers und
Finanzdatenanbieters LSEG (Stand: 17. Juni) hervorgeht.
Eine Transaktion der Kategorie "Mega-Deal" mit einem Volumen von
mehr als fünf Milliarden Euro gab es bisher noch gar nicht.
Insgesamt waren deutsche Firmen - als Käufer oder Verkäufer - an
Transaktionen im Wert von 40,8 Milliarden Dollar beteiligt. Das
sind 37 Prozent weniger als vor einem Jahr, der niedrigste Stand
in einem ersten Halbjahr seit 2015.

"Deutschland hinkt in diesem Jahr bisher hinter dem Rest von Europa her", sagt Investmentbanker Tibor Kossa von der US-Bank Goldman Sachs <GS.N>, die die Rangliste der aktivsten Berater in Deutschland anführt. "Das liegt zum Teil am gesamtwirtschaftlichen Umfeld in Deutschland, aber auch an der Struktur und dem Branchenmix der deutschen Wirtschaft", fügt sein Kollege Christopher Droege an. Verkaufswillige Unternehmen zögerten damit, neue Prozesse zu starten, da die Käufer immer noch sehr wählerisch seien. Die Preisvorstellungen klafften oft weit auseinander, sagt Kossa.

DIE GRÖSSTEN ÜBERNAHMEN:

* Auf Platz eins findet sich erneut die Familie Viessmann. Sie hatte im vergangenen Jahr ihre Heiztechnik-Sparte an den US-Rivalen Carrier Global <CARR.N> verkauft, nun investiert sie das eingenommene Geld erstmals. Bei der umgerechnet 4,95 Milliarden Dollar schweren Übernahme des börsennotierten Hamburger Wind- und Solarparkbetreibers ENCAVIS <ECVG.DE> durch den US-Investor KKR <KKR.N> tritt sie als Co-Investor auf.

* Die US-Tochter der DEUTSCHEN TELEKOM <DTEGn.DE>, T-Mobile US <TMUS.O>, baut ihre Position auf dem dortigen Mobilfunkmarkt mit einer 4,5 Milliarden Dollar schweren Übernahme aus. Sie übernimmt fast das gesamte Geschäft des Rivalen US Cellular <USM.N> einschließlich Kunden und Handy-Frequenzen.

* SIEMENS <SIEGn.DE> bekommt vom US-Finanzinvestor KPS Capital Partners 3,8 Milliarden Dollar für Innomotics, die größte ihrer sogenannten "Portfolio Companies" außerhalb des Kerngeschäfts, die seit 2021 nach und nach verkauft werden. Kern des ausgegliederten Unternehmens mit 14.000 Mitarbeitern und drei Milliarden Euro Umsatz ist die Antriebssparte Large Drives. Der Kaufpreis lag deutlich über den Erwartungen.

* Mit der Übernahme der Biotech-Firma Morphosys <MORG.DE> will der Schweizer Pharmakonzern Novartis <NOVN.S> sein Krebs-Geschäft ausbauen. Novartis zahlt 2,7 Milliarden Euro für das Unternehmen aus Martinsried bei München und sichert sich damit den Zugriff auf dessen größten Hoffnungsträger, ein Medikament zur Behandlung von Myelofibrose. Inzwischen hält Novartis mehr als 90 Prozent der Anteile und will Morphosys von der Börse nehmen.

* Der Münchner Versicherungsriese ALLIANZ <ALVG.DE> verkauft sein Geschäft mit dem Mittelstand und mit der Unterhaltungsindustrie in den USA und will sich dort nur noch auf internationale Großkunden konzentrieren. Wesentliche Teile der traditionsreichen Tochter Fireman's Fund gingen für 450 Millionen Dollar an den Bermuda-Versicherer Arch Capital <ACGL.O>. Dieser übernimmt auch Verlustrückstellungen. In den LSEG-"League Tables" wird die Transaktion auf insgesamt 1,8 Milliarden Dollar veranschlagt.

DIE ERFOLGREICHSTEN BERATER:

* Die größten Transaktionen bestimmen auch die Rangliste der Investmentbanken. Goldman Sachs setzt sich dank der Beteiligung an Encavis und Innomotics mit einem Volumen von 16,8 Milliarden Dollar an die Spitze vor Morgan Stanley <MS.N> (11,4 Milliarden Dollar), die bei Encavis und T-Mobile US involviert war. PJT Partners <PJT.N> beriet das Käufer-Konsortium um KKR, was der US-Investmentboutique zu Platz drei verhalf, noch vor Lazard <LAZ.N>. Goldman Sachs lag schon vor einem Jahr auf Platz eins, der damalige Zweite JPMorgan <JPM.N> muss sich diesmal mit Platz neun begnügen.

* Im lahmenden Geschäft mit Eigenkapital-Emissionen und -Platzierungen (ECM) führt die Deutsche Bank <DBKGn.DE> (1,97 Milliarden Dollar) knapp vor JP Morgan <JPM.N> (1,85 Milliarden) und Morgan Stanley (1,39 Milliarden).

* Bei Fremdkapital-Transaktionen baut die Deutsche Bank mit 81 Emissionen im Volumen von 19,5 Milliarden Dollar ihren Vorsprung noch aus. Auf Rang zwei vorgeschoben hat sich JPMorgan mit 45 Emissionen über 11,7 Milliarden Dollar und verdängt damit BofA Securities <BAC.N> knapp auf Platz drei.

(Zusammengestellt von Alexander Hübner in München. Redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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