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02.02.2024 /13:21:02
HINTERGRUND-Umbruch in E-Autobranche - Polestar-Turbulenzen erster Vorgeschmack

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Volvo Cars dreht Polestar den Geldhahn zu

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Hoffnung auf zweites Tesla trübt sich ein

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Experten rechnen mit Konsolidierung
 
- von Marie Mannes und Nick Carey und Joseph White
Stockholm, 02. Feb (Reuters) - Die Luft für
Elektroauto-Startups wird dünner, für viele der jungen
Unternehmen geht es schon ums Überleben. Einen ersten
Vorgeschmack dafür lieferte zuletzt der defizitäre schwedische
Anbieter Polestar, dem der Miteigentümer Volvo Cars
den Geldhahn zudrehte und der jetzt auf frische Mittel des
chinesischen Mehrheitsaktionärs Geely setzen muss.
Andere - etwa Sono Motors aus München mit seiner Vision eines
Solar-Elektroautos - sind bereits ganz vom Markt verschwunden.
Das zeigt, wie schwierig es ist, genügend Geld für die
kostspielige Entwicklung und Produktion eines Elektroautos
einzusammeln. Dass jetzt die Nachfrage nach Elektroautos nicht
mehr so stark steigt wie in den vergangenen Jahren, könnte für
viele kleinere Unternehmen das Aus bedeuten.

Tesla <TSLA.O> hat es geschafft, von einem Startup bis zu einem Unternehmen mit einer Bewertung von in der Spitze einer Billion Dollar zu wachsen, dank billigem Geld, einer revolutionären Technologie und der exzentrischen Persönlichkeit seines Chefs Elon Musk. Doch inzwischen ist die Technologie nicht mehr so revolutionär wie vor 10 Jahren, und Neuankömmlinge müssen auch gegen die finanzkräftigen etablierten Autobauer bestehen. "Es ist Zeit für eine Marktbereinigung", sagte Andy Leyland, Mitgründer des Lieferketten-Experten SC Insights. Elektroauto-Startups müssten jetzt zeigen, wie sie profitabel werden und im Wettbewerb mit den großen Anbietern und den Chinesen bestehen wollten.

Allein Polestar braucht nach eigenen Berechnungen weitere 1,3 Milliarden Dollar, bevor das Unternehmen ab 2025 Gewinne erwirtschaften will. Doch an der Börse dürfte es schwierig werden: Seit der Markteinführung im Juni 2022 haben die Aktien 87 Prozent an Wert verloren. Immerhin hat das Unternehmen mit Geely einen starken Eigentümer, der sich bereit erklärt hat, das nötige Geld beizusteuern. Bei anderen Elektroauto-Startups könnte das schwieriger werden. Sono ist schon am Geldmangel gescheitert und musste sein Autoprojekt einstellen; für das Geschäft mit Solarpanels für Busse oder Lastwagen wurde immerhin zuletzt ein Investor gefunden.

Andere Startups wie Rivian, Fisker, Arrival, Xpeng oder Lucid kämpfen ebenfalls mit den Kosten für einen Hochlauf der Produktion. Fisker etwa hat erklärt, offen für einen Partner zu sein, und seine Kredite entsprechend restrukturiert. Auch Tesla steckte nach den Worten von Musk in einer "Produktionshölle" - doch das war schon 2018, als das Geld noch billig, Investoren gering, die Konkurrenz schwach und die Nachfrage nach Elektroautos stark steigend war.

Doch inzwischen haben sich die Zeiten geändert, und die Geduld der Investoren schwindet. Musks Warnung, dass das Wachstum bei Tesla in diesem Jahr nachlassen dürfte, hat die Firma an einem Tag 80 Milliarden Dollar Marktwert gekostet. Seit dem Höhepunkt 2021 hat Tesla mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Dabei spielt auch der Preiskrieg eine Rolle, den sich Tesla und die chinesische BYD liefern und der schwächeren Spielern zu schaffen macht. Geldgeber belohnen entsprechend die Unternehmen, die ihre Kosten im Griff behalten. So schnellten die Volvo-Aktien nach der Ankündigung, Polestar kein Geld mehr zu geben, am Donnerstag um 30 Prozent nach oben, auch die Absage Renaults an einen Börsengang seiner Elektroautosparte wurde bejubelt.

Und so könnte sich bei den Elektroautos das wiederholen, was die Autobranche vor einem Jahrhundert schon einmal gesehen hat. Als der Verbrennungsmotor erfunden wurde, brach in Europa und den USA Gründungsfieber aus, zahlreiche Erfinder wollten ein Stück vom Kuchen haben und scheiterten. Viele der einst unabhängigen Autobauer sind schließlich in Unternehmen wie Volkswagen <VOWG_p.DE>, General Motors oder Stellantis aufgegangen.

(unter Mitarbeit von Christina Amann. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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