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Lindner: Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein
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Ökonom: Der Abschwung schlägt voll durch |
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CDU: Drei Jahre Ampel-Koalition hinterlassen Spuren |
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Grüne: Neuer Haushalt wird wirtschaftliche Impulse setzen |
(neu: mit Reaktionen) |
Washington/Berlin, 24. Okt (Reuters) - Bund, Länder und |
Gemeinden müssen in den kommenden Jahren mit deutlich geringeren |
Steuereinnahmen rechnen als zuletzt erwartet. Der Gesamtstaat |
müsse bis 2028 mit 58,1 Milliarden Euro weniger auskommen als |
noch im Mai erwartet, heißt es in der am Donnerstag vom |
Arbeitskreis Steuerschätzung veröffentlichten Prognose. Allein |
auf den Bund entfallen Mindereinnahmen von rund 12,6 Milliarden |
Euro. Für das laufende Jahr verbucht der Bund gegenüber der |
Mai-Schätzung demnach ein Minus von 3,4 Milliarden Euro. Für die |
Länder wird für 2024 ein Rückgang von 2,3 Milliarden Euro |
vorhergesagt, für die Kommunen ein Minus von 600 Millionen Euro. |
"Neue Spielräume im Haushalt ergeben sich nicht", erklärte Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei einer Pressekonferenz in Washington. "Im Gegenteil: Wir werden zusätzlich konsolidieren müssen. Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein."
Ökonomen machen die Konjunkturflaute für das |
Einnahmeloch verantwortlich. Der Abschwung schlage "voll auf die |
Einnahmen durch", sagte der Finanzexperte des Zentrums für |
Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann. |
Politik und Öffentlichkeit müssten endlich aufwachen. "Es ist |
unmöglich, gleichzeitig die Zukunftsinvestitionen hochzufahren |
und immer neue Ansprüche an den Staat von Pflege über Gesundheit |
bis hin zur Rente zu generieren", sagte Heinemann. Eine |
verantwortungsvolle Haushaltspolitik müsse nun den |
Bundeszuschuss für die Rente und damit die Rentenformel genauso |
auf den Prüfstand nehmen wie das starke Personalwachstum der |
Bundesverwaltung. |
KRITIK VON DER UNION |
Die Opposition gibt der Ampel die Schuld an der |
negativen Entwicklung. Unions-Vizefraktionschef Mathias |
Middelberg warf SPD, Grünen und FDP vor, die reduzierte |
Steuerschätzung sei "das Ergebnis der chaotischen |
Wirtschaftspolitik". Dauerstreit in der Regierung zerstöre jedes |
Zukunftsvertrauen und verschrecke Verbraucher wie Unternehmen. |
"Die Spielräume für den Haushalt 2025 werden jetzt noch enger", |
betonte der CDU-Politiker. "Sparen und wirkliches Umschichten im |
Haushalt sind gefragt." Wenn sich die Ampel darauf nicht einigen |
könne, "dann sollte diese Regierung jetzt zügig die |
Verantwortung abgeben". Der Chefhaushälter der Unions-Fraktion, |
Christian Haase, erklärte: "Drei Jahre Ampel-Koalition mit zwei |
Jahren Rezession hinterlassen deutliche negative Spuren. Das |
Land wirkt wie gelähmt." |
Im Streit in der Ampel-Regierung über den Bundeshaushalt |
2025 bringt die Steuerschätzung kaum eine Entlastung. Für das |
kommende Jahr kann der Bund demnach mit etwas höheren Einnahmen |
rechnen als noch im Mai angenommen. Die Schätzer sagen ein Plus |
von 700 Millionen Euro voraus. Dies könnte sich auch auf die im |
Bundestag laufenden Beratungen über den Etatentwurf für 2025 |
auswirken, an den die Haushälter in drei Wochen letzte Hand |
anlegen wollen. |
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, zog aus den Ergebnissen der Steuerschätzung den Schluss, "dass wir neue wirtschaftliche und soziale Impulse brauchen". Die Herausforderungen für den Bundeshaushalt seien trotzdem beherrschbar. Die Beratungen würden professionell fortgesetzt, faire Kompromisse angestrebt. "Die Koalition wird im November einen Haushalt beschließen, der wirtschaftliche Impulse setzt, das soziale Netz stärkt und wichtige Investitionen in Klima- und Umweltschutz finanziert", sagte Kindler.
(Bericht von Holger Hansen, René Wagner und Maria Martinez, redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).
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