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18.10.2024 /16:05:59
TOP-THEMA-Bundestag beschließt Sicherheitspaket - Bundesrat blockiert Teile

(Neu: Reaktionen, Folgen)

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Faeser: "Wir stärken die innere Sicherheit"

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Scharfe Kritik von CDU/CSU

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SPD wirft Union Blockade wichtiger Maßnahmen vor

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Lindholz an Ampel: "Sie sind ein Sicherheitsrisiko"

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FDP ruft zu neuen Gesprächen mit Union auf
 
- von Alexander Ratz
Berlin, 18. Okt (Reuters) - Mit den Stimmen der
Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hat der Deutsche
Bundestag das umstrittene Sicherheitspaket infolge der
Messeranschläge von Solingen und Mannheim verabschiedet. Darin
vorgesehen sind Leistungskürzungen für ausreisepflichtige
Asylbewerber, eine Verschärfung des Waffenrechts sowie mehr
Kompetenzen für die Ermittler im Kampf gegen Terrorismus.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte das
Maßnahmenpaket in einer teils hitzigen Debatte am Freitag "die
richtige Antwort" auf die sich verschärfende Sicherheitslage.
Allerdings ließ die Union im Bundesrat Teile der Gesetzespakete
nicht passieren, so dass nun ein Vermittlungsausschuss nötig
wird. Bereits die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hatte die
Gesetze als nicht ausreichend im Kampf gegen die irreguläre
Migration bezeichnet.

Der Vorlage für ein Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems stimmten in der namentlichen Abstimmung 361 Abgeordnete zu, 290 votierten dagegen, neun enthielten sich der Stimme, wie Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau mitteilte. Dieser erste Teil des Pakets ist in der Länderkammer nicht zustimmungspflichtig. Auch die zweite Vorlage zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung wurde in einer weiteren Abstimmung im Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen angenommen - hier gab es Widerstand der unionsgeführten Bundesländer.

Die Vorlage der Bundesregierung war im parlamentarischen Verfahren von den Ampel-Fraktionen noch verändert worden, was nach Ansicht von CDU und CSU zu einer Verwässerung der Maßnahmen führte. Faeser betonte dennoch in der Debatte: "Wir stärken die innere Sicherheit unseres Landes angesichts der aktuellen Bedrohungen." In Solingen waren im August bei einem Volksfest drei Menschen mutmaßlich von einem Syrer erstochen worden. Bei einer ähnlichen Tat zuvor in Mannheim war ein Polizist mutmaßlich von einem Afghanen erstochen worden.

REGIERUNGSKREISE - LÄNDER VERHINDERN EFFEKTIVE MASSNAHMEN

In Regierungskreisen wurde die teilweise Blockade durch den Bundesrat scharf kritisiert. Nun werde etwa die Befugnis zum biometrischen Abgleich von öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet verhindert. Die Nutzung solcher Internetdaten sei aber wichtig für die Verbrechensbekämpfung. Zudem sei nun die automatisierte Datenanalyse für Bundeskriminalamt und Bundespolizei bei großen Datenmengen vorerst gestoppt. Und um angeordnete Waffenverbotszonen besser durchsetzen zu können, hätte der Bundespolizei die stichprobenartige Befragung, Identitätskontrolle sowie Durchsuchung von Personen erlaubt werden sollen. Das aber eine entscheidende Voraussetzung, um Waffenverbotszone an Bahnhöfen effektiv zu machen.

Auch Innenministerin Nancy Faeser übte scharfe Kritik. "Völlig unverständlich und verantwortungslos ist die Ablehnung unseres Gesetzes zur Terrorismusbekämpfung durch die von CDU und CSU geführten Länder im Bundesrat", sagte die SPD-Politikerin. "Die Union verweigert unseren Ermittlungsbehörden Befugnisse, die angesichts der aktuellen Bedrohungen absolut notwendig sind." Auch innerhalb der Union war bis Freitagmorgen umstritten, ob man den Weg eines Vermittlungsausschusses gehen sollte, weil dies die Umsetzung von Maßnahmen verzögert.

UNION: MASSNAHMEN REICHEN NICHT

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) wies den Vorwurf einer Blockade aber zurück: "Diesem Täuschungspaket der Ampel konnten wir nicht zustimmen", sagte er der "Bild" mit Hinweis auf Verwässerungen der ursprünglichen Pläne.

Der Union gehen die Maßnahmen insgesamt nicht weit genug. "Sie sind ein Sicherheitsrisiko", sagte Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz an die Adresse der Koalition. CDU/CSU forderten vor allem eine Zurückweisung schon an der deutschen Grenze, um die irreguläre Migration deutlich zu senken. Ein Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Koalition mit einer entsprechenden Formulierung fand aber keine Mehrheit im Bundestag. Zudem kritisierte die Union, dass die Befugnisse der Ermittler - etwa bei einer biometrischen Gesichtserkennung oder einer automatisierten Datenanalyse - nur bei besonders schweren Straftaten möglich ist und nicht wie im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen bereits bei schweren Straftaten. Damit fällt etwa die sexuelle Ausbeutung von Kindern sowie Kinderpornografie heraus.

Auch was die zwangsweise Abschiebung von ausreisepflichtigen Asylbewerbern betrifft, gab es Änderungen, die von CDU und CSU kritisiert werden. So muss vor einer Abschiebung von Dublin-Flüchtlingen, die ihren Asylantrag in einem anderen EU-Staat stellen müssen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zunächst feststellen, dass die Rückführung einer Person auch tatsächlich möglich ist. Den Schutzstatus verlieren künftig aber auch Asylbewerber, die in ihr Heimatland reisen, um dort Urlaub zu machen. Die Verschärfung des Waffenrechts fiel indes auf Druck der FDP-Fraktion nicht so stark aus wie von der Bundesregierung ursprünglich vorgesehen.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle räumte in der Debatte ein: "Das heutige Sicherheitspaket ist nicht genug." Er sprach sich dafür aus, das Gespräch mit CDU/CSU erneut zu suchen, um sich gemeinsam auf weitere Entscheidungen zu verständigen. Aber: "Diese Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", betonte Kuhle mit Blick auf das jetzt verabschiedete Sicherheitspaket.

(Mitarbeit: Andreas Rinke; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)

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