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18.10.2024 /16:16:16
FOKUS 2-CDU, BSW und SPD in Thüringen streben Koalition an

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24-seitiges Sondierungspapier



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Strittige BSW-Forderung zu Außenpolitik ausgeklammert



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Haushaltskonsolidierung angestrebt



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In Sachsen starten CDU, SPD und BSW nächste Woche Sondierungen





(Neu: Situation in Sachsen)
Berlin/Erfurt, 18. Okt (Reuters) - CDU, BSW und SPD
streben in Thüringen Koalitionsgespräche über die Bildung einer
Regierung an. Das gaben die Unterhändler der drei Parteien am
Freitag in Erfurt bei der Vorstellung eines 24-seitigen
Ergebnispapiers der Sondierungen bekannt. "Wir werden das Land
aus der Mitte heraus zusammenführen, Sorgen wahrnehmen und
Ängste abbauen. Nicht Parteiinteressen, das Land steht im
Zentrum unseres Handelns", heißt es in der Präambel des Papiers,
das für Sondierungsgespräche bereits sehr detailliert ist. Die
Forderung von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht, dass sich eine
Landesregierung mit BSW-Beteiligung gegen die Waffenhilfe für
die Ukraine und die Stationierung neuer US-Raketen aussprechen
müsse, wurde zunächst ausgeklammert.

Die Gespräche hätten in einer vertrauensvollen und konstruktiven Atmosphäre stattgefunden, sagte der CDU-Politiker Andreas Bühl am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Das Papier soll nun den Parteigremien vorgelegt werden, die formal den Weg für Koalitionsverhandlungen ebnen müssen.

Zu dem von Wagenknecht als Voraussetzung einer Koalition bezeichneten Punkt der Friedenspolitik finden sich nur zwei Zeilen in dem Papier. "Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen", heißt es. Am Ende werde es in einem Koalitionsvertrag ein Bekenntnis zu Frieden geben müssen, sagte BSW-Politiker Tilo Kummer. Aber es sei klar, dass die US-Raketen ohnehin nicht in Thüringen stationiert würden. "Wir müssen sehen, ob das unseren Gremien reicht", fügte er hinzu.

Seit Tagen gibt es Berichte, dass es Spannungen zwischen Wagenknecht und den BSW-Unterhändlern in Thüringen und Sachsen gibt. Aus der SPD und der CDU heißt es auch in Sachsen, dass die regionalen BSW-Politiker bei den Sondierungen lieber über Politikprojekte in den Ländern selbst sprechen möchten als über Punkte, die der Bund zu verantworten hat, wie die Außen- und Sicherheitspolitik.

Die Spitzen von CDU und SPD im Bund geben ihren Landesverbänden zwar freie Hand bei der Regierungsbildung. Sie haben aber betont, dass der Westkurs Deutschlands, die Nato-Mitgliedschaft und die Ukraine-Hilfe nicht in den Ländern entschieden und infrage gestellt werden könnten.

In der Finanzpolitik bekennen sich CDU, BSW und SPD in Thüringen zu einer Konsolidierungspolitik. Mit Blick auf ein strukturelles Haushaltsdefizit von über 1,3 Milliarden Euro heißt es, man wolle "Investitionen durch Schaffung von Spielräumen unter Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse" ermöglichen, unter anderem durch die Verlängerung der Tilgungsfristen für Notlagen-Kredite.

In Thüringen war die AfD erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Kraft geworden: Sie erhielt bei der Abstimmung am 1. September 32,8 Prozent der Stimmen, während die CDU als zweitplatzierte Partei 23,6 Prozent auf sich vereinte. Das erstmals angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wurde mit 15,8 Prozent drittstärkste Kraft, noch vor der Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow (13,1 Prozent) und der SPD (6,1 Prozent). Käme eine Regierung aus CDU, BSW und SPD zustande, würde die sogenannte Brombeer-Koalition nur über 44 der 88 Sitze im neuen Erfurter Landtag verfügen. Sie wäre also für Beschlüsse noch auf mindestens eine Stimme aus AfD oder Linken angewiesen. Eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen AfD haben aber alle anderen Parteien kategorisch ausgeschlossen.

AUCH IN SACHSEN KOMMEN GESPRÄCHE VORAN

In Sachsen führen CDU, BSW und SPD ebenfalls Gespräche. Kommende Woche wollen sie mit offiziellen Sondierungen beginnen. "Wir haben in den Kennenlerngesprächen zwischen den sächsischen Landesverbänden von CDU, BSW und SPD festgestellt, dass eine konstruktive und lösungsorientierte Zusammenarbeit für Sachsen möglich ist", heißt es in einem Ergebnispapier. Man wolle sich zunächst auf einige Themenfelder konzentrieren. "Die Schuldenbremse darf nicht Hindernis für notwendige Investitionen in die Zukunft sein", heißt es in dem Papier. Man prüfe den Einsatz von Sondervermögen vom Bund und vom Freistaat zur Unterstützung der Infrastruktur sowie der Kommunen.

Auch in Sachsen gibt es noch keine klare Festlegung zur Außenpolitik. In der Präambel findet sich nur der Satz: "Dabei geht es um die Wahrung des Friedens in Europa, die Sicherung unseres Wohlstandes und die Gestaltung des strukturellen Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft, insbesondere mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine."

(Bericht von Andreas Rinke, Rene Wagner; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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