Berlin/Washington, 22. Okt (Reuters) - Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft haben sich deutlich eingetrübt. Der Internationale Währungsfonds traut Deutschland dieses Jahr nur noch eine Stagnation zu, 2025 dann ein überschaubares Wachstum von 0,8 Prozent, wie die Finanzorganisation am Dienstag in Washington mitteilte. Die bisherigen Prognosen aus dem Juli wurden damit um 0,2 beziehungsweise um 0,5 Prozentpunkten gesenkt. Der IWF verwies auf die anhaltende Schwäche der Industrie, Folgen der finanziellen Konsolidierung und Problemen auf dem Immobilienmarkt. Alle anderen großen Industrienationen schlagen sich derzeit besser als Deutschland.
Wachstumstreiber für die Weltwirtschaft sind weiterhin |
Indien, China und die USA. Insgesamt rechnet der IWF 2024 und |
2025 mit einem globalen Wachstum von jeweils 3,2 Prozent. Das |
entspricht in etwa den bisherigen Erwartungen. Die Aussichten |
für die USA sind kurz vor der Präsidentenwahl Anfang November |
besser als bisher erwartet, getragen vom Konsum nach den |
jüngsten Reallohnsteigerungen. Die Euro-Zone wird dagegen |
schlechter eingeschätzt, was vor allem, aber nicht nur an |
Deutschland liegt. Indien dürfte wie bisher erwartet dieses Jahr |
um 7,0 Prozent wachsen, 2025 dann um 6,5 Prozent. Diese Woche |
treffen sich hochrangige Vertreter der deutschen Wirtschaft in |
Neu-Delhi zur Asien-Pazifik-Konferenz, um Geschäftschancen in |
der Region auszuloten. Indien gilt als Schlüssel, um die starke |
Abhängigkeit der deutschen Industrie von China zu reduzieren. |
Für die Volksrepublik rechnet der IWF mit Wachstumsraten von 4,8 |
und 4,5 Prozent in den Jahren 2024 und 2025. |
Größtes Problem für die Weltwirtschaft war zuletzt die hohe Inflation. Hier zeichnet sich eine spürbare Entspannung ab, allerdings nicht überall. "Es sieht so aus, als wäre der globale Kampf gegen die Inflation weitgehend gewonnen", sagte IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas. Der Höhepunkt sei im dritten Quartal 2022 mit 9,4 Prozent erreicht worden. Ende nächsten Jahres sollten es 3,5 Prozent sein. Die Teuerung würde damit leicht unter dem Schnitt in den 20 Jahren vor der Corona-Pandemie liegen. Das eröffne Spielräume für Zinssenkungen. In Industriestaaten sei das Bild besser als in Schwellenländern. Außerdem seien die Preise für Dienstleistungen fast doppelt so hoch wie vor der Corona-Krise.
Als Risiken nannte der IWF geopolitische Konflikte wie in der Ukraine und im Nahen Osten. Die Unsicherheit sei weiter hoch. "Es ist jetzt die Zeit, die Schuldendynamik zu stabilisieren und wieder finanzielle Puffer aufzubauen", so Gourinchas.
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)