Shengjin/Albanien, 16. Okt (Reuters) - In der albanischen Hafenstadt Shengjin ist am Mittwoch ein erstes Schiff mit Migranten aus Italien angekommen, deren Asylanträge in dem Westbalkan-Land bearbeitet werden sollen. Italien hatte zuvor zwei Aufnahmezentren in Albanien errichtet, die vergangenen Freitag geöffnet wurden. Dies ist die erste derartige Vereinbarung, bei der ein Land der EU Migranten in ein Nicht-EU-Land umleitet, um irreguläre Ankünfte zu verhindern.
Die "Libra", ein Schiff der italienischen Marine, dockte an den ehemaligen Marinehafen Shengjin an, wie Reuters-Aufnahmen zeigten. Es wurde von italienischen Offizieren in Empfang genommen. Die erste Gruppe von Migranten, die im Rahmen der neuen Regelung abgefertigt werden soll, besteht aus zehn Personen aus Bangladesch sowie sechs Ägyptern, die im Mittelmeer in Booten aufgegriffen wurden. Sie werden in Shengjin kontrolliert und dann ins Landesinnere nach Gjader gebracht. Sobald ihre Papiere bearbeitet sind, werden sie entweder nach Italien geschickt, wenn ihr Asylantrag positiv beschieden wird, oder zurück in ihre Heimat, wenn ihr Antrag abgelehnt wurde. Die Einrichtungen in Shengjin und Gjader werden von italienischem Personal betreut. Die Gesamtzahl der Migranten aus Italien, die sich gleichzeitig in Albanien aufhalten, darf gemäß der Vereinbarung nicht mehr als 3000 betragen. Jährlich können italienische Behörden bis zu 36.000 Migranten in das Balkanland geschickt werden.
Der italienische Weg ist von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als interessantes Modell bezeichnet worden, stößt aber auch auf Kritik. Rechtsexperten sagen, dass es für italienische Gerichte schwierig sein könnte, Asylanträge oder Einsprüche gegen Haftanordnungen von Menschen, die in einem anderen Land untergebracht sind, zügig zu bearbeiten. Während Albaniens Ministerpräsident Edi Rama der EU im Reuters-Interview weitere Verträge mit Westbalkan-Staaten empfahl, lehnte dies der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, strikt ab. Er warf Italien vor, am Ende abgelehnte Asylbewerber nicht in ihre Heimatländer zu bringen, "sondern sie werden über die Westbalkanroute nach Deutschland kommen".
(Bericht von Fatos Bytyci und Florion Goga, geschrieben von Andreas Rinke; redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)