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Vizekanzler schlägt wie SPD Investitionsprämien für Firmen vor
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Widerstand der FDP, Kritik aus Wirtschaft |
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Regierungssprecher: Mit Scholz nicht abgestimmt |
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Ökonomen sind gespalten |
(Durchgehend neu) |
Berlin, 23. Okt (Reuters) - Bundeswirtschaftsminister |
Robert Habeck will die lahmende Wirtschaft mit einem neuen |
milliardenschweren Deutschlandfonds für Investitionen ankurbeln |
- stößt in der Bundesregierung damit aber auf Widerstand. Der |
Grünen-Politiker stellte am Mittwoch ein Papier vor, demzufolge |
Investitionen etwa in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung |
auch mit Investitionsprämien gefördert werden sollen. "Es ist |
ein Steuersenkungspapier", erklärte Habeck vor seinem Abflug |
nach Indien. In der Bundesregierung wurde betont, dass der |
Vorschlag des Wirtschaftsministers nicht abgestimmt sei und |
wenig Chancen auf Umsetzung habe. |
Habeck wollte keine genauen Kosten für seine Vorschläge nennen. Er verwies aber auf Berechnungen etwa vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der von einer mittleren dreistelligen Milliardenzahl für die nächsten Jahre ausgehe. Der Vizekanzler räumte ein, dass seine Vorschläge für eine Modernisierung der Wirtschaft über die Verabredungen im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hinausgingen. "Aber (...) die Wirklichkeit hält sich nicht an Verträge", sagte Habeck, der sich auch auf eine Kanzlerkandidatur für die Grünen bei der Bundestagswahl 2025 vorbereitet.
"Das ist mit dem Kanzler nicht abgestimmt, aber das muss es ja auch gar nicht", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit zu dem Papier und verwies auf die Ressortverantwortung des Wirtschaftsministers. Habeck habe "einen Vorschlag in der politischen Debatte" vorgelegt. Der Kanzler selbst lade kommende Woche Unternehmensverbände, Firmen und Gewerkschaften zu einem Pakt für Industriearbeitsplätze ins Kanzleramt ein. Kanzler Olaf Scholz hatte in den vergangenen Tagen mehrfach selbst Reformvorschläge gemacht.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) wiederum hatte schuldenfinanzierte, milliardenschwere Investitionsanreize bereits mehrfach abgelehnt. Er hatte sich auch gegen die Einrichtung neuer Sondervermögen für Investitionen ausgesprochen, wie sie die Industrie und die Gewerkschaften ins Spiel gebracht haben.
Habeck selbst fordert in seinem 14-seitigen Papier auch eine Kurswende in der Haushaltspolitik. "Ich hoffe, dass es einen Impuls auslöst, dass wir noch einmal in einer Kraftanstrengung der demokratischen Parteien die Diskussion gemeinsam führen und über die Runde, zu der der Bundeskanzler eingeladen hat, diese Gemeinsamkeit in Deutschland herstellen, bevor der Wahlkampf so richtig losgeht." Vertreter der anderen Ampel-Parteien warfen Habeck gegenüber Reuters vor, selbst bereits im Wahlkampf zu sein.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch begrüßte in der "Rheinischen Post" die Pläne von Habeck. Der SPD-Bundesvorstand hatte vor wenigen Tagen selbst in einem industriepolitischen Papier solche Investitionsprämien nach US-Vorbild vorgeschlagen. Kritik kam aber von der FDP, der Union und der AfD. "Robert Habeck kann sich weiter larmoyant über die Geltung der Schuldenbremse beklagen, es wird ihm aber nichts helfen. Es gibt im Bundestag nicht einmal eine einfache Mehrheit für ihre Abschaffung", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki der "Rheinischen Post". AfD-Co-Chef Tino Chrupalla warf Habeck "Etikettenschwindel" vor.
Der Verband der Familienunternehmer kritisierte, dass ein schuldenfinanzierter Investitionsfonds unrealistisch sei. "Der Wirtschaftsminister meint, er wolle jede Investition mit zehn Prozent bezuschussen. Das wären Milliardensummen - völlig unrealistische Zahlen angesichts des bisherigen Unwillens von Grünen und SPD, den Bundeshaushalt 2025 auf Wirtschaftswachstum auszurichten", sagte die Präsidentin Marie-Christine Ostermann. Habeck selbst betonte, er habe sehr positive Rückmeldungen bekommen.
Der vorgeschlagene Deutschlandfonds mit Prämien für Investitionen stößt auch bei führenden Ökonomen auf ein geteiltes Echo. "Der geplante Deutschlandfonds kann Investitionen anregen, stellt aber keine systematische Verbesserung des Standorts dar", sagte beispielsweise der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, zu Reuters. "Hohe Steuern von den Unternehmen verlangen, aber gleichzeitig Subventionen für Investitionen zu geben, ist keine nachhaltige Wirtschaftspolitik." Hinzu komme die europäische Dimension: Subventionen verzerrten den Wettbewerb in Europa und wären ein Einfallstor für einen innereuropäischen Subventionswettlauf.
Ifo-Präsident Clemens Fuest hält zusätzliche steuerliche Investitionsanreize angesichts der niedrigen und weiter sinkenden Investitionen für gut begründet. "Es sollte allerdings ein Instrument mit möglichst wenig Bürokratie sein", sagte der Chef des Münchner Instituts. "Wenn die Investitionsprämie analog zur Abschreibung im Rahmen der Steuererklärung gewährt wird, ist das so ein Instrument." Der Unterschied zur beschleunigten Abschreibung oder zur Steuersatzsenkung liege darin, dass auch die Unternehmen unmittelbar profitierten, die Verluste machten. "Warum man dafür einen neuen 'Fonds' schaffen muss, ist unklar - es sei denn, man möchte das mit Krediten finanzieren und eine Sonderverschuldung aufnehmen", sagte Fuest.
(Bericht von Andreas Rinke, Holger Hansen, Christian Krämer, Rene Wagner; redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)