*
IW: Exportnation Deutschland ist anfälliger für Handelskonflikte
*
Ifo: Die meisten Firmen planen bei Trump-Sieg keine Anpassungen
(neu: mit Ifo-Umfrage) |
Berlin, 24. Okt (Reuters) - Deutschland drohen einer |
Studie zufolge im Falle eines Handelskriegs mit den USA unter |
einem Präsidenten Donald Trump milliardenschwere Verluste. Diese |
dürften sich binnen vier Jahren auf bis zu 180 Milliarden Euro |
summieren, heißt es in der Untersuchung des arbeitgebernahen |
Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Diese lag der |
Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vor. Demnach wäre |
Europas größte Volkswirtschaft stärker von einem Handelskrieg |
betroffen als andere wichtige Euro-Länder. "Die Exportnation |
Deutschland mit ihrem besonders hohen Offenheitsgrad ist |
anfälliger für globale Handelskonflikte und einer entsprechend |
schwächeren Weltwirtschaft", sagte IW-Forscher Jürgen Matthes. |
Das Institut hat mehrere Varianten durchgespielt. Sollte Trump die US-Zölle auf 20 Prozent erhöhen und die Europäische Union mit einem Vergeltungszoll von 20 Prozent auf amerikanische Importe gegenhalten, dann könnte dies zu einem Einbruch des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,5 Prozent im Jahr 2028 führen. Das Minus summiere sich bis dahin auf etwa 180 Milliarden Euro. In der Euro-Zone insgesamt wäre der BIP-Rückgang mit 1,3 Prozent nicht ganz so groß.
In einem zweiten Szenario geht das IW davon aus, dass eine Erhöhung der US-Zölle auf zehn Prozent auf alle Einfuhren und auf 60 Prozent auf Importe aus China ab dem Jahr 2025 kommt. Dem könnte ein EU-Vergeltungszoll von zehn Prozent auf Einfuhren aus den USA folgen. Hier wären die deutschen BIP-Verluste bis 2028 mit etwa 127 Milliarden Euro geringer.
Knapp jedes zweite Industrieunternehmen in Deutschland erwartet bei einer Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten negative Auswirkungen auf den eigenen Betrieb. 44 Prozent befürchten dies, geht aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter 2000 Firmen hervor. Für rund 51 Prozent macht es demnach keinen Unterschied, ob nun der Republikaner Trump oder dessen demokratische Konkurrentin Kamala Harris die Wahl am 5. November gewinnt. Nur fünf Prozent erwarten positive Effekte durch einen Sieg von Trump.
"Besonders Unternehmen mit engen Wirtschaftsverbindungen |
in die USA rechnen mit negativen Folgen bei einem Wahlsieg von |
Trump", sagte Ifo-Forscher Andreas Baur. Hier liege der Anteil |
mit 48 Prozent über dem Durchschnitt. "Allerdings befürchten |
auch viele Unternehmen ohne direkte Exportbeziehungen in die USA |
negative Auswirkungen, denn sie können zum Beispiel als |
Zulieferer trotzdem indirekt betroffen sein", fügte Baur hinzu. |
Bei einem Wahlsieg von Trump plant die überwiegende |
Mehrheit von 83 Prozent der deutschen Unternehmen keine |
Anpassungsmaßnahmen. Lediglich vier Prozent der Befragten |
erwägen beispielsweise eine stärkere Verlagerung der Produktion |
in die USA oder eine Anpassung der Lieferketten, sollte Trump |
ins Weiße Haus einziehen. Rund 13 Prozent geben an, dies noch |
nicht zu wissen. |
WAS TUN? |
Die Zolldrohungen Trumps sind dem IW zufolge nur eine relevante Facette davon, wie sich weltweit die Einstellungen zum offenen Handel geändert haben. Auch das Verhalten Chinas stelle dafür eine Herausforderung dar. "Darauf müssen die EU und Deutschland mit einer robusteren Handelspolitik reagieren", so die Forscher. "Dazu gehören in diesen geopolitisch angespannten Zeiten die glaubhafte Androhung und in letzter Konsequenz auch Anwendung von Vergeltungsmaßnahmen als realpolitisch notwendiges Element."
So zeigten die Simulationen, dass sich für den Fall, dass die EU mit einer gleichwertigen Zollerhöhung reagiert, der Effekt für die USA von solchen Maßnahmen ins Negative drehe. Für die EU und Deutschland werde er dagegen nur leicht negativer. "Für die USA wäre demnach eine Gegenreaktion der EU deutlich schädlicher als für die EU", so das IW. "Die EU und Deutschland könnten also vergleichsweise glaubwürdig mit Vergeltung drohen." Somit könnte im besten Fall allein die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen ausreichen, um die USA von einseitigen Zollerhöhungen abzuhalten.
Um politische Erpressbarkeiten zu begrenzen, sollten zudem durch ein gezieltes De-Risking die kritischen Abhängigkeiten von Drittstaaten vermindert werden. "Dies kann etwa durch den Ausbau von Freihandelsabkommen erreicht werden", heißt es in der Untersuchung. Zudem sollte sich die EU vor Überkapazitäten und wettbewerbsverzerrenden Subventionen insbesondere vonseiten Chinas schützen.
(Bericht von Maria Martinez, Rene Wagner Redigiert von Sabine Ehrhardt Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)