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24.10.2024 /13:56:41
VORSCHAU-Georgien vor entscheidender Wahl zwischen EU und Russland

Tiflis, 24. Okt (Reuters) - In Georgien stimmen die Bürger am kommenden Samstag über die internationale Ausrichtung der Kaukasus-Republik ab. Die seit zwölf Jahren regierende Partei "Georgischer Traum" will die Beziehungen zu Russland ausbauen, während die Opposition den Anschluss an die Europäische Union sucht. Bei der Parlamentswahl stehen aber auch demokratische Prinzipien auf dem Spiel. Der Gründer von "Georgischer Traum", der Milliardär Bidzina Iwanischwili, bekräftigte erst am Mittwoch, die Oppositionsparteien würden im Falle eines Wahlsieges verboten werden.

Sie würden "mit der vollen Härte des Gesetzes für die Kriegsverbrechen, die an der georgischen Bevölkerung begangen wurden, zur Rechenschaft" gezogen werden, sagte Iwanischwili auf einer Kundgebung in Tiflis, ohne die angeblichen Verbrechen zu erläutern. Danach bot sein ältester Sohn Bera, ein Rapper, den Song "Georgian Dream" dar.

Iwanischwili, der selbst einmal Ministerpräsident war, gilt als eigentlicher Strippenzieher hinter der Regierung. Seine wichtigste Gegenspielerin ist Präsidentin Salome Surabitschwili. Die vehemente Verfechterin eines Beitritts zur EU war zwar 2018 mit Unterstützung vom "Georgischen Traum" in ihr Amt gewählt worden. Seitdem hat sie sich aber zur Gegnerin der Partei und von Iwanischwili entwickelt. In den vergangenen Wochen hat Surabitschwili versucht, die zerstrittene Opposition zu einen, um die Regierungspartei bei der Wahl zu schlagen. Nach Meinungsumfragen ist der "Georgische Traum" allerdings nach wie vor die beliebteste Partei im Land, obwohl sie seit 2020 an Boden verloren hat.

Iwanischwili hat die Abstimmung über die Zukunft der rund 3,6 Millionen Georgierinnen und Georgier als Existenzkampf dargestellt. Es gelte zu verhindern, dass Georgien in einen direkten Konflikt mit Russland gedrängt werde. Oppositionskandidaten wirft er vor, eine Revolution und Chaos anzetteln zu wollen. Zu den von ihm verbreiteten Gerüchten gehört auch die Behauptung, in Europa würden Eltern ihre Kinder zu geschlechtsangleichenden Operationen zwingen.

Bereits jetzt hat die Regierung eine Entfremdung mit der Europäischen Union erreicht. Vergangenen Juni trat das Gesetz gegen ausländische Einflussnahme in Kraft. Von der Opposition und westlichen Regierungen wird es als Mittel zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft und unvereinbar mit Grundrechten kritisiert. Die Europäische Union legte den Beitrittsprozess auf Eis. Erst vergangenen Dezember hatte Georgien den Status eines Beitrittskandidaten erhalten.

Kritiker vermuten Russland hinter dem Kurs der Regierung in Tiflis. Verwiesen wird darauf, das in Russland ein ähnliches Gesetz gegen ausländische Einflussnahme verabschiedet wurde, dass auch gegen inländische Kritiker angewendet wird. Die Regierung in Moskau hat jede Einflussnahme abgestritten.

(Bericht von Lucy Papachristou und Felix Light, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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