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AfD schiebt neue "Brandmauer"-Debatte an
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SPD wirft Union mögliche "Steigbügelhalter"-Rolle vor
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CSU sieht sich in Grünen-Ablehnung bestätigt
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Habeck warnt: Alle Mitte-Parteien müssen koalitionsfähig sein
- von Andreas Rinke |
Seeon, 07. Jan (Reuters) - Die Aussicht auf die mögliche |
Wahl eines rechtsgerichteten Kanzlers in Österreich hält nicht |
nur das benachbarte Alpenland in Atem: Dass die konservative ÖVP |
den FPÖ-Chef Herbert Kickl nach dem Scheitern von |
Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten und der Partei |
Neon ins Kanzleramt befördern könnte, alarmiert auch deutsche |
Parteien - aber aus unterschiedlichen Gründen. Schon gibt es |
gegenseitige Vorwürfe, die mit den Begriffen "Brandmauern", |
"Steigbügelhalter" oder dem Ausschluss schwarz-grüner |
Koalitionen verbunden werden. Der durch die Warnungen vor einer |
Einmischung Russlands oder des US-Milliardärs Elon Musk ohnehin |
aufgeheizte deutsche Bundestagswahlkampf bekommt ein neues |
Streitthema. |
Zentraler Punkt ist dabei die Frage, ob die Entwicklung in Österreich auch in Deutschland passieren könnte. Anders als in Österreich lehnen in Deutschland alle im Bundestag vertretenen Parteien eine Koalition mit der AfD ab, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz lehnt eine Kooperation strikt ab. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder bezeichnete die AfD sogar als schlimmer als die FPÖ und warnte, dass die deutschen Rechtspopulisten mit einem "Morgenthau-Plan" die Deindustrialisierung Deutschlands wollten. Im übrigen wird darauf verwiesen, dass es in Österreich seit vielen Jahren keine Brandmauer mehr gegen die FPÖ gegeben habe, die sogar zusammen mit Sozialdemokraten Landesregierungen stellten.
AfD-Co-Chefin Alice Weidel sieht Österreich deshalb als Vorbild für Deutschland. "Auch die von Friedrich Merz auf Druck der linken Parteien in Deutschland errichtete Brandmauer gegen die AfD wird keinen Bestand haben", sagte sie. Meinungsforscher raten der Union aber, an der zuletzt etwa in Thüringen und Sachsen bewiesenen Abschottung gegen die AfD festzuhalten. "Es nutzt keiner Partei, wenn sie im Wahlkampf plötzlich Positionen ändert", sagt der Chef des Insa-Instituts, Hermann Binkert, zu Reuters. "Im Gegenteil muss sich die Union ganz hart abgrenzen, um glaubwürdig zu bleiben", meint auch Forsa-Chef Manfred Güllner. Jede Aufweichung würde nur der AfD nutzen, die darunter leidet, dass sie keinerlei Machtoption hat. Laut Güllner schadet sich die Union schon dadurch, dass sie das Thema Migration gerade wieder zum wichtigsten Wahlkampfthema mache und damit eine harte Position der AfD aufgreife. Die CSU erklärt dagegen das Erstarken der FPÖ im Nachbarland dadurch, dass sich die anderen Parteien nicht zu einer harten Migrationspolitik durchringen konnten.
Die Union befindet sich aber auch in einer Abwehrdiskussion gegenüber SPD und Grünen - die CDU und CSU vorwerfen, sich nicht genug von der österreichischen Schwesterpartei ÖVP abzugrenzen, mit der sie gemeinsame Mitglieder in der europäischen Parteienfamilie EVP sind. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zieht sogar historische Parallelen zum Aufstieg Adolf Hitlers. "Die Geschichte wiederholt sich, erst als Tragödie, dann als Farce und am Ende sind die Bürgerlichen leider immer wieder bereit den Faschisten die Hand zu reichen", schrieb er auf X. Sowohl SPD-Co-Chef Lars Klingbeil als auch SPD-Fraktionsvize Achim Post werfen der Union mangelnde Konsequenz vor und suggerieren, dass auch deutsche Konservative zum Steigbügelhalter für Rechts-Außen-Politiker werden könnten - was etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zurückweist.
Ansonsten fühlen sich deutsche Parteien durch die Entwicklung in Österreich in ihren Haltungen bestätigt - nur aus unterschiedlichen Gründen. Die CSU sieht sich in der eigenen Ablehnung einer schwarz-grünen Koalition nach den Wahlen auf dem richtigen Weg. So habe in Österreich gerade die Regierungsbeteiligung der Grünen unter der ÖVP zu einem Erstarken der FPÖ geführt, wird in der CSU-Spitze argumentiert. In Deutschland hätten sich die AfD-Werte unter der Ampel-Regierung verdoppelt. "Wer verhindern will, dass es Entwicklungen wie in Österreich gibt - und wir wollen genau das verhindern -, der muss dafür sorgen, dass die Grünen in Deutschland nicht regieren", sagt Dobrindt deshalb.
Schon am Montag hatte Söder den auch von der CDU kritisierten Ausschluss einer Koalition mit den Grünen verteidigt: Zum einen würde diese Option vor der Wahl angesichts der Grünen-Ablehnung in der Anhängerschaft nur Unionswähler abschrecken und die AfD stärken. Zum anderen sei nach der Wahl mit den Grünen nicht die nötige Politikwende machbar, die die Union aber anstrebe - um 2029 einen weiteren Aufstieg der AfD zu verhindern.
Nur ziehen etwa die Grünen ganz andere Lehren aus der Entwicklung in Österreich. "Die demokratischen Parteien der Mitte müssen bei allen Unterschieden, die im Wahlkampf herausgearbeitet werden müssen, in der Lage sein, zusammenzuarbeiten", mahnte Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck im ZDF. "Sonst wird die Republik unregierbar."
(Mitarbeit: Jörn Poltz, Holger Hansen; redigiert von | ..... Bei | ||
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