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23.10.2024 /18:44:36
FOKUS 1-G7-Rivale Brics sieht wachsenden weltpolitischen Einfluss

(Neu: Putin, Treffen Xi/Modi, Details, Hintergrund, Experte)

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Putin: Brics-Gruppe wird stärker werden



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Nach Streit erste formelle Gespräche Xi/Modi seit fünf Jahren



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Experte: Brics ebenso wie G7 ohne andere Großmächte zu leicht





- von Vladimir Soldatkin und Gleb Bryanski
Kasan, 23. Okt (Reuters) - Die Staats- und
Regierungschefs der Brics-Staaten rund um China, Indien und
Russland haben bei ihrem Gipfeltreffen einen deutlich wachsenden
Einfluss der Gruppe in der Weltpolitik vorausgesagt. In einem am
Mittwoch im Tagungsort im zentralrussischen Kasan verbreiteten
Abschlussdokument wurden zudem zahlreiche künftige Projekte von
einer Getreidebörse über Künstliche Intelligenz bis hin zu einem
grenzüberschreitenden Zahlungssystem skizziert. Mit Blick auf
den Westen hieß es zudem, man sei zutiefst besorgt über den
negativen Einfluss unrechtmäßiger Sanktionen auf die
Weltwirtschaft und beunruhigt über die anhaltenden Konflikte im
Nahen Osten und in Nordafrika. Zum Krieg Russlands gegen die
Ukraine hieß es, es gebe "nationale Vorschläge" zur Vermittlung.

Der russische Präsident und Gastgeber Wladimir Putin dringt seit langem darauf, die Brics als Gegengewicht zum Westen in der Weltpolitik und im Handel aufzubauen. Die Gruppe hat ihren Namen aus den fünf ersten Mitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Inzwischen wurden eine Handvoll weiterer Länder aufgenommen. Aktuell steht die Brics vor allem wegen der Größe Chinas für etwa 45 Prozent der Weltbevölkerung und 35 Prozent der Weltwirtschaft - mehr als etwa die Gruppe G7 der westlichen Industriestaaten. Putin sagte, aktuell wollten mehr als 30 weitere Staaten Mitglied werden. Es sei aber wichtig, bei jeder Erweiterung ein Gleichgewicht zu finden. Zu den Bewerbern zählt unter anderem das Nato-Mitglied Türkei. Laut Putin nahmen rund 30 Staats- und Regierungschefs an dem Gipfel in Kasan teil.

WENIG DETAILS ZU WICHTIGEM

Das 43-seitige Abschlusskommunique des Gipfels ging etwa auch auf Drogen oder den Erhalt von Großkatzen ein, ließ aber bei einigen wichtigen Themen Details vermissen. Das liegt auch daran, dass das vom Westen geächtete Russland sich aus Angst vor weiteren US-Sanktionen davor hütet, zu viele Details über seine Finanz- und Handelsbeziehungen zu nennen. Das Kommunique deutet aber darauf hin, dass es bei einem seit langem anvisierten alternativen Zahlungssystem kaum Fortschritte gibt. Dieses soll den Brics-Ländern helfen, unter Umgehung des vom Dollar dominierten globalen Finanzsystems miteinander zu handeln.

Putin versuchte aber, die Stärke der Brics herauszustellen. So werde das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der Staaten 2024/25 bei 3,8 Prozent liegen, verglichen mit 3,2 bis 3,3 Prozent weltweit. "Der Trend zur führenden Rolle der Brics in der Weltwirtschaft wird sich noch verstärken", sagte Putin. Schlüsselfaktoren seien Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Kapitalakkumulation und Produktivitätswachstum.

Russland als weltgrößter Weizenexporteur schlug die Einrichtung einer Brics-Getreidebörse mit späterer Ausweitung etwa auf Öl, Gas und Metalle vor. Dies werde zu fairen und vorhersehbaren Preisen für Produkte und Rohstoffe beitragen, was für die weltweite Ernährungssicherheit wichtig sei. Die nationalen Märkte würden vor negativer Einmischung von außen und auch vor Versuchen geschützt, Nahrungsmittel künstlich knapp zu halten, hieß es.

GESPANNTES VERHÄLTNIS INDIEN/CHINA

Unter den Brics-Ländern haben vor allem die Schwergewichte China und Indien ein schlechtes Verhältnis. Daher trafen sich am Rande des Gipfels auch Chinas Präsident Xi Jinping und Indiens Ministerpräsident Narendra Modi zu ihren ersten formellen Gesprächen seit fünf Jahren. Sie signalisierten damit, dass sich die Beziehungen allmählich von dem Bruch erholen, der durch militärische Konflikte mit Toten an ihrer umstrittenen Himalaya-Grenze verursacht wurde. Indien hat die Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen von einer Lösung des Grenzkonflikts abhängig gemacht.

Bereits am Dienstag hatte Xi zum Auftakt des Gipfels seine Verbundenheit mit Putin bekräftigt. Die Freundschaft zwischen beiden Ländern werde über Generationen hinweg fortbestehen, hatte er im Beisein Putins erklärt. Die USA und andere westliche Länder drängen Xi seit langem, den von ihnen wegen des Einmarsches in der Ukraine als Kriegsverbrecher bezeichneten Putin zur Beendigung des Ukraine-Krieges aufzufordern.

Der ehemalige Chefökonom des US-Großbank Goldman Sachs, Jim O'Neill, der im Jahr 2001 für die Gruppe den Begriff "Bric" - damals noch ohne Südafrika - in einem Papier eingeführt hatte, warnte am Mittwoch vor einer Überhöhung der Gruppe. "Die Idee, dass Brics ein echter globaler Wirtschaftsklub sein könnte, ist genauso abwegig wie die der G7", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei vor allem ein symbolisches jährliches Treffen, bei dem wichtige Schwellenländer zusammenkommen und betonen könnten, wie gut es sei, Teil von etwas zu sein, an dem die USA nicht beteiligt seien. Tatsächlich hätten die Brics als Gruppe in den letzten 15 Jahren nur sehr wenig erreicht. Es sei aber auch nicht möglich, wirklich globale Probleme ohne die USA und Europa zu lösen - so wie es für den Westen unmöglich sei, echte globale Probleme ohne China, Indien und in geringerem Maße auch ohne Russland und Brasilien zu lösen.

(Geschrieben von Ralf Bode Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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