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Außenpolitiker Roth: Biden ist letzter transatlantischer Präsident
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Die US-Präsidentschaftswahlen begrenzen mögliche Abstimmungen
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Dennoch beraten Scholz, Biden, Macron und Starmer über Ukraine und Nahost
- von Andreas Rinke |
Berlin, 17. Okt (Reuters) - Wenn US-Präsident Joe Biden |
am Freitag die sogenannte Sonderstufe des Großkreuzes des |
Bundesverdienstordens überreicht bekommt, dürfte dies sein |
persönlicher Höhepunkt auf seinem Besuch in Berlin sein. Denn |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ehrt den 81-Jährigen |
damit nicht nur für seine vierjährige Amtszeit als US-Präsident |
- sondern auch als jahrzehntelangen Kämpfer für die |
transatlantische Freundschaft und vor allem seine Freundschaft |
zu Deutschland. "Er ist der letzte transatlantische Präsident, |
der eine enge persönliche Beziehung zu Deutschland pflegt und |
voll auf die Partnerschaft mit Europa setzt", sagt Michael Roth, |
Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, zu |
Reuters. |
Und wie wichtig die Beziehung zur atomaren Schutzmacht USA für Deutschland immer noch ist, hat Kanzler Olaf Scholz erst am Mittwoch in seiner Regierungserklärung im Bundestag in klarer Abgrenzung zu AfD und BSW betont. Gerade für Scholz, der immer wieder betont, wie sehr er Biden schätzt, war der US-Präsident in den vergangenen Jahren eine sehr wichtige Figur. Denn Scholz konnte seine zurückhaltende Haltung bei der Lieferung weitreichender Waffensysteme an die Ukraine immer auch mit der sehr engen Abstimmung mit dem Mann im Weißen Haus begründen.
Dabei war durchaus umstritten, ob der Zeitpunkt für den Besuch von Biden gut gewählt ist. Das zeigte schon die Absage seiner Visite vergangene Woche, die eigentlich ein dreitägiger Staatsbesuch hätte sein sollen. Aber vor den US-Präsidentschaftswahlen muss Biden anders kalkulieren. Er sagte wegen des Hurrikans Milton ab, obwohl Dutzende europäischer Staats- und Regierungschefs schon die Teilnahme an einem Ukraine-Unterstützungstreffen in Ramstein eingeplant hatten. Denn auch Vizepräsidentin Kamala Harris hat als demokratische Präsidentschaftskandidatin kein Interesse daran, dass der Eindruck entsteht, Biden kümmere sich mehr um die Ukraine als um die Menschen in Florida. Und die Präsidentschaftswahl dürfte nach Angaben von mit den Planungen befassten Personen auch der Grund sein, warum Biden am Freitag lieber keine Pressekonferenz in Berlin möchte. Kritische Fragen zur US-Innenpolitik vom Ausland aus beantworten zu müssen, gilt bei den US-Demokraten als Risiko in der entscheidenden Phase des sehr harten Wahlkampfes gegen Donald Trump.
Dennoch wird Bidens Besuch in der Bundesregierung als wichtiges Signal für Ukraine angesehen. Dass am Freitag auch noch ein sogenanntes Quad-Treffen zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer in Berlin stattfindet, zeigt, dass der Besuch nicht nur zeremonieller Natur ist. Immerhin wird Biden auch nach der US-Präsidentschaftswahl noch bis Januar im Amt sein - auch wenn sein Handlungsspielraum ab dem 5. November nur noch begrenzt ist. Die größten transatlantischen Partner wollen zudem zumindest diskutieren, wie sie im Nahost-Konflikt weiter vorgehen. Gerade die USA und Deutschland stehen dabei wegen der Waffenlieferungen an Israel unter Druck - vor allem seit Israel auch Stellungen der UN-Friedenstruppe Unifil beschossen hatte.
Zudem dürfte im Vierer-Kreis darüber gesprochen werden, was ein Sieg von Trump für die Ukraine-Politik bedeuten könnte. Monatelang hatte Biden versucht, ein 60-Milliarden Dollar-Unterstützungspaket durch den US-Kongress zu bringen. Jetzt kann der Kanzler darauf verweisen, dass die EU es tatsächlich geschafft hat, der Ukraine einen Kredit von bis zu 35 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, den diese auch für Waffenkäufe nutzen kann.
"Biden möchte nicht als der Präsident in die Geschichte eingehen, der die Ukraine im Stich gelassen hat", sagt Roth und erinnert daran, dass die Europäer dem US-Präsidenten gerade bei dessen Reaktion auf den russischen Überfall auf das Nachbarland sehr dankbar sein müssten. "Biden hat der Ukraine und uns Europäern im ersten Kriegsjahr sprichwörtlich den Arsch gerettet", betont der SPD-Politiker mit Blick auf die anfangs eher zögerliche militärische Hilfe vieler europäische Staaten für die Ukraine. Diese Dankbarkeit dürfte am Freitag spürbar werden.
(Mitarbeit: Jeff Mason, Sarah Marsh, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)