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Ehemaliger israelischer Botschafter: 18 Jahre lang hat Unifil Hisbollah zugeschaut
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Kritik auch an Scholz und Baerbock - "Resolution 1701 reicht nicht"
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"Das Motto war: 'Ich höre nichts, ich sehe nichts'" |
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Stein bedauert Opfer unter Unifil-Personal |
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- von Andreas Rinke |
Berlin, 21. Okt (Reuters) - Der frühere israelische |
Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, hat Deutschland und |
andere westliche Länder sehr deutlich für die Untätigkeit der |
UN-Mission Unifil im Südlibanon in den vergangenen 18 Jahren |
kritisiert. "Es irritiert mich, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz |
und Außenministerin Annalena Baerbock nun wiederholt auf die |
UN-Sicherheitsratsresolution 1701 als Basis für eine |
Nachkriegsordnung im Libanon verweisen", sagte Stein am Montag |
im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Sie müsse |
mindestens ergänzt werden. |
"Die Resolution wurde am 11. August 2006 beschlossen - seither hat die Hisbollah 18 Jahre lang im Südlibanon ihre Positionen ausbauen können", fügte er hinzu. "Wo war die Staatengemeinschaft denn da?" Die Unifil-Mission, an der auch die deutsche Marine beteiligt ist, koste hunderte Millionen Dollar jedes Jahr. "Aber sie hat nach dem Motto 'Ich sehe nichts, ich höre nichts' gehandelt", kritisierte Stein. "Für mich ist der Unifil-Einsatz ein Versagen ersten Ranges. Irgendjemand muss die Verantwortung tragen."
Der Text der Sicherheitsrats-Resolution sei an sich nicht schlecht. Denn er sehe etwa ganz klar vor, dass es zwischen der Grenze Libanon-Israel und dem Litani-Fluss kein bewaffnetes Personal und keine Waffen geben dürfe. "Aber die Hisbollah hat dort über 18 Jahre ein unterirdisches Tunnelsystem aufgebaut, das das des Gazastreifens noch übertrifft." Auch Staaten wie Frankreich, die immer gerne ihre Verantwortung für Libanon betonten, hätten nicht dafür gesorgt, dass die reguläre libanesische Armee in die Lage versetzt wurde, die Kontrolle über das Land zu erringen. Dabei sei in der Sicherheitsrats-Resolution ausdrücklich die Entwaffnung aller anderen Gruppen und Milizen neben der Armee gefordert worden. "Jetzt muss man dafür sorgen, dass wir nicht nach 18 Jahren wieder sagen, es ist nichts passiert."
"Auch Israel ist nicht frei von Fehlern", räumte Stein ein. Man habe die Hisbollah lange abgeschreckt, aber nicht eingedämmt. Israel habe selbst nicht viel gegen das Tunnelsystem und die Aufrüstung der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz nördlich der Grenze unternommen.
Die jüngsten israelischen Angriffe auf Unifil-Stellungen erklärte Stein vor allem damit, dass die Hisbollah ihre Basen bewusst in die Nähe von Unifil-Gebäuden gebaut habe. Es gebe deshalb sicher unabsichtliche Opfer unter dem Unifil-Personal, was bedauerlich sei. Vielleicht hätte die israelische Armee stärker mit den Unifil-Einheiten zusammenarbeiten sollen, sagte Stein. Auf die Angriffe auf Hisbollah-Stellungen könne die israelische Armee aber nicht verzichten. Es müsse sichergestellt werden, dass die rund 60.000 bis 80.000 evakuierten Bewohner in Nordisrael wieder in ihre Häuser zurückkehren könnten.
(Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)