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13.11.2024 /12:54:55
TOP-THEMA-Israel rückt weiter im Norden des Gazastreifens vor

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Anwohner von Beit Hanun müssen Stadt verlassen

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USA: Israel tut genug gegen humanitäre Krise

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Blinken dringt auf Ende des Krieges im Gazastreifen
 
Kairo, 13. Nov (Reuters) - Die israelischen Streitkräfte
rücken immer weiter in Beit Hanun im Norden des Gazastreifens
vor und weisen die meisten dort noch verbliebenen Menschen an,
die Stadt zu verlassen. Am Mittwoch wurden bei israelischen
Angriffen nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen
mindestens 14 Menschen getötet. Das Vorrücken der Truppen und
die Vertreibung Zehntausender Menschen stärkt die Vermutung
vieler Palästinenser, dass Israel den Norden des Gazastreifens
räumen und eine Pufferzone einrichten will. Möglicherweise solle
diese auch für die Rückkehr israelischer Siedler genutzt werden.
Die international nicht anerkannten Siedlungen dort waren 2005
von Israel aufgegeben worden.

Einwohner von Beit Hanun berichteten, dass israelische Streitkräfte Unterkünfte für vertriebene Familien und die Bevölkerung belagerten. Sie hätten Tausenden Menschen befohlen, sich in Richtung Süden an einen Kontrollpunkt zu begeben. Männer seien zum Verhör festgehalten worden, berichteten Anwohner und palästinensische Sanitäter. Frauen und Kindern habe man die Flucht Richtung Gaza-Stadt erlaubt.

"Die Szenen der Katastrophe von 1948 wiederholen sich", sagte der 48-jährige Saed, ein Einwohner von Beit Lahija, der am Mittwoch in Gaza-Stadt eintraf. "Israel wiederholt seine Massaker, Vertreibungen und Zerstörungen." Saed bezog sich auf den arabisch-israelischen Krieg im Jahr 1948. Damals wurde der Staat Israel gegründet, und Hunderttausende Palästinenserinnen und Palästinenser wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Sie bezeichnen dies als Nakba, als Katastrophe. "Der Norden des Gazastreifens wird in eine große Pufferzone verwandelt", sagte Saed weiter in einer Chat-App. "Israel nimmt vor den Augen und Ohren der machtlosen Welt ethnische Säuberungen vor."

Das israelische Militär bestreitet solche Absichten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat erklärt, er wolle den Siedlerabzug aus dem Gazastreifen vor fast zwanzig Jahren nicht rückgängig machen. Allerdings betreibt seine Regierung, die so weit rechts steht wie keine vor ihr, auch mitten im Krieg eine aggressive Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland, und Hardliner in seiner Koalition haben offen über eine Rückkehr der Siedler in den Gazastreifen gesprochen.

In ihrer neuen Offensive im Norden des Gazastreifens, die vor mehr als einem Monat begann, haben die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben Hunderte Hamas-Kämpfer in Dschabalia, Beit Lahija und Beit Hanun getötet. Die radikale Hamas und der mit ihr verbündete Islamische Dschihad erklärten, sie hätten mehrere israelische Soldaten in Hinterhalten und durch Panzerabwehrraketen getötet.

USA: ISRAEL DARF KEINE ZWANGSUMSIEDLUNGEN VORNEHMEN

Die USA erklärten am Dienstag vor den Vereinten Nationen, dass es seitens Israels weder zu Zwangsumsiedlungen noch zu einer Politik des Aushungerns im Gazastreifen kommen dürfe. Sie drohten, dass eine solche Politik schwerwiegende Folgen nach internationalem und nach US-Recht hätte. Wenige Stunden zuvor hatten die USA nach Ablauf einer von ihnen gesetzten Frist erklärt, dass Israel genug tue, um die humanitäre Krise zu bewältigen. Damit kommt es nicht zu der angedrohten Einschränkung der US-Militärhilfe. "Dennoch muss Israel sicherstellen, dass seine Maßnahmen vollständig umgesetzt und seine Verbesserungen im Laufe der Zeit aufrechterhalten werden", sagte die US-Botschafterin bei den UN, Linda Thomas-Greenfield, vor dem Sicherheitsrat. Zudem sei es dringend notwendig, dass Israel die Umsetzung eines Gesetzes aussetze, das die Tätigkeit des UN-Hilfswerks UNRWA verbietet. Der UN-Sicherheitsrat beriet über einen Bericht von Experten, wonach in Gebieten im Norden des Gazastreifens wegen der Militäroffensive "eine große Wahrscheinlichkeit einer drohenden Hungersnot" bestehe.

US-Außenminister Antony Blinken rief Israel und die radikale Hamas auf, den Krieg zu beenden. Israel habe die Ziele, die es sich selbst gesetzt habe, erreicht, sagte er in Brüssel. Das sollte der Zeitpunkt sein, den Krieg zu stoppen. Es wäre auch gut, wenn man nachhaltigen und wirksamen Druck auf die Hamas sehen könnte, den Krieg zu beenden, sagte Blinken. Ein Ende des Krieges sei die beste Möglichkeit, den Bedürfnissen der Menschen im Gazastreifen gerecht zu werden. Die Verantwortung Israels für die humanitäre Hilfe bestehe fort, unterstreicht der Außenminister. Die USA forderten echte und längere Feuerpausen, damit die notwendige Hilfe die Menschen erreichen könne.

Seit Beginn der israelischen Militäroffensive Anfang Oktober 2023, die dem Überraschungsangriff der Hamas folgte, wurden im Gazastreifen nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde mindestens 43.712 Menschen getötet. Mindestens 103.258 Palästinenserinnen und Palästinenser seien verletzt worden. Bei dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 wurden nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet und 250 als Geiseln verschleppt. Rund hundert sollen noch in der Gewalt der Extremisten sein.

(Bericht von: Nidal al-Mughrabi, Michelle Nichols, Simon Lewis, geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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