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01.07.2024 /11:01:54
TOP-THEMA-Sorge und Erleichterung nach erster Runde der Frankreich-Wahl

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Absolute Mehrheit für rechtsnationale RN in Stichwahl unwahrscheinlich



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Linke und Liberale wollen sich in Stichwahl unterstützen



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Aber Le Maire mahnt: Kein Stimme für Melanchon-Partei



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Sorgen deutscher Politiker



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Frankreichs Börse im Plus, Spreads bei Staatsanleihen sinken





Paris/Berlin, 01. Jul (Reuters) - Der relative Wahlsieg
des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) in der ersten
Runde der französischen Parlamentswahlen ist in der Politik mit
Sorgen, an den Börsen dagegen mit Erleichterung aufgenommen
worden. In Frankreich begann die Positionierung für die
entscheidende zweite Runde der Wahlen am Sonntag, aus
Deutschland als wichtigstem EU-Partner kamen Warnungen vor einem
Rechtsruck. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire
schloss am Montag aus, die Wähler aufzufordern, einen Kandidaten
der linksgerichteten Partei "Unbeugsames Frankreich" (LFI) von
Jean-Luc Melenchon zu wählen, falls dies die einzige
realistische Möglichkeit wäre, um einen Kandidaten des RN zu
verhindern. Die LFI ist Teil des Linksbündnisses.

Führende Vertreter der französischen Linken und des zentristischen Blocks von Präsident Emmanuel Macron hatten zuvor erklärt, sie würden bei den nötigen Stichwahlen am kommenden Sonntag ihre eigenen Kandidaten in Bezirken zurückziehen, in denen ein anderer Kandidat bessere Chancen hätte, die extreme Rechte zu schlagen. Deshalb ist es unsicher, ob der RN auf die angestrebte absolute Mehrheit im französischen Parlament kommt.

Der RN von Marine Le Pen erhielt am Sonntag 33 Prozent der Stimmen. Der Zusammenschluss von Linken und Grünen landete mit 28 Prozent auf dem zweiten Platz. Die liberale Ensemble-Gruppierung von Präsident Emmanuel Macron erzielte nur 20 Prozent. Le Pen sagte am Sonntagabend, sie hoffe, dass der RN-Parteivorsitzende Jordan Bardella nun Regierungschef werde. Nur ein Bruchteil der Direktmandate konnte in der ersten Runde aber mit absoluter Mehrheit in den Wahlkreisen gewonnen werden. Bei der vergangenen Wahl hatten die Parteienblöcke Allianzen geschmiedet, um den Sieg von Kandidaten des RN zu verhindern.

Auch der amtierende Ministerpräsident Gabriel Attal, der Macrons Partei angehört, forderte: "Keine einzige Stimme darf an den RN gehen. (...) Die Aufgabe ist klar: eine absolute Mehrheit für den Rassemblement National zu verhindern." Macron selbst forderte per Pressemitteilung, in der zweiten Wahl nur Kandidaten zu unterstützen, die "klar republikanisch und demokratisch" sind.

DIFFERENZEN ZWISCHEN LIBERALEN UND LINKEN

Allerdings zeigten sich bereits am Montag Differenzen. Finanz- und Wirtschaftsminister Le Maire warnte im Radiosender France Inter auch vor einem Wahlsieg des Linksbündnisses, das er als "Gefahr" bezeichnete. Er werde Wähler zwar ermutigen, Kandidaten anderer linker Parteien in den Bezirken zu wählen, in denen ein Kandidat der Mitte aus dem Rennen ausgeschieden ist. Aber er würde "niemals" dazu aufrufen, die LFI zu wählen.

Ministerpräsident Attal warnte eindringlich vor einem Sieg sowohl der Rechten als auch des Linksbündnisses NFP. Die Rechtsextremen würden den Platz Frankreichs in der EU und die Unterstützung für die Ukraine gefährden und das Risiko einer "Unterwerfung unter Russland" mit sich bringen. Die Linke sei aber zerstritten. Sie will zudem die Rentenreform kippen, ein wichtiges Projekt Macrons. Auch der RN hat ähnliche Pläne.

Macron ist bis 2027 als französischer Präsident gewählt und hat weitreichende Kompetenzen vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Durch den absehbaren Verlust seiner Mehrheit in der Nationalversammlung dürfte er aber die Kontrolle über die innenpolitische Agenda weitgehend verlieren - also etwa die Wirtschaftspolitik, Sicherheit, Einwanderung und Finanzen. Macron hatte nach der Niederlage seiner Partei bei der Europawahl Anfang Juni überraschend vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt.

In Deutschland sorgte das Wahlergebnis für Kritik. "Macron hat sich mit seinem Schritt, Neuwahlen anzusetzen, verrechnet und jetzt wahrscheinlich eher zu einer Stärkung der Rechtsextremen beigetragen", sagte Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang dem Nachrichtenmagazin "Politico". "Das Spiel von Macron ist nicht aufgegangen", sagte auch Thüringens CDU-Chef Mario Voigt den Sendern RTL/ntv. "Er geht jetzt geschwächt in die nächste Runde der Wahlen. Und das ist für Europa eine ganz schwierige Zeit, weil damit die deutsch-französische Achse geschwächt ist."

BÖRSE IN FRANKREICH LEGT ZU

Die Börsen zeigten sich dagegen entspannt. Die französischen Aktienfutures und die Kurse französischer Staatsanleihen legten am Montag zu. Der Abstand zwischen französischen 10-jährigen Anleihen und deutschen 10-jährigen Schuldverschreibungen verringerte sich um sieben Basispunkte auf 72,8 Basispunkte und verzeichnete damit den größten Tagesrückgang seit November 2022.

Grund ist offenbar, dass die Anleger keine absolute Mehrheit für das RN oder das linke Lager mehr erwarten. Der von einigen erwartete Erdrutschsieg des RN sei ausgeblieben, sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst von CMC Markets. "Das Risikoszenario, dass die vereinigte Linke die Macht übernehmen und ihre kostspielige Agenda umsetzen könnte, scheint weiter zurückgegangen zu sein", sagte Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg.

(Bericht von Tassilo Hummel, Andreas Rinke, Reinhard Becker, Amanda Cooper; redigiert von redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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