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22.10.2024 /15:58:56
FOKUS 1-Österreichs Bundespräsident beaufragt ÖVP mit Regierungsbildung

(neu: mehr Details, Hintergrund)

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ÖVP unter Kanzler Nehammer bekommt Auftrag zur Regierungsbildung



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Keine andere Partei will mit Wahlsieger FPÖ koalieren

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ÖVP soll nun Koalitionsverhandlungen mit SPÖ führen

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Geklärt werden muss, ob dritter Partner nötig ist
 
Wien, 22. Okt (Reuters) - In Österreich hat
Bundespräsident Alexander Van der Bellen der konservativen
Volkspartei (ÖVP) unter Führung von Karl Nehammer den Auftrag
zur Bildung einer Regierung erteilt. Der ÖVP-Chef und derzeit
amtierende Kanzler soll nun umgehend Verhandlungen mit der
sozialdemokratischen SPÖ aufnehmen, sagte Van der Bellen am
Dienstag in einer Ansprache in der Wiener Hofburg. Die
rechtspopulistische FPÖ war zwar bei der Nationalratswahl Ende
September erstmals stärkste Kraft geworden, doch keine Partei
ist bereit, mit ihr zu koalieren. Für eine Regierungsbildung
wird jedoch eine parlamentarische Mehrheit benötigt.

Dass nun die zweitplatzierte ÖVP zum Zug kommt, ist ungewöhnlich, wie das Staatsoberhaupt einräumte. "Wenn eine Situation neu ist, braucht sie auch neue Lösungen", so Van der Bellen. Bisher wurde stets die stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragt. Nach einer Bedenkzeit und zusätzlichen Gesprächen sei nun jedoch unmissverständlich klar: "FPÖ-Chef Herbert Kickl findet keinen Koalitionspartner, der ihn zum Bundeskanzler macht."

Die SPÖ, die liberalen Neos und die Grünen lehnen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ grundsätzlich ab, während die ÖVP eine Koalition zumindest unter Führung von Kickl ausschließt. Kickl wiederum betonte, dass es die FPÖ nur mit ihm als Kanzler in einer Regierung geben würde. Als Gründe gegen eine Koalition mit der FPÖ nannte Van der Bellen unter anderem Bedenken hinsichtlich der liberalen Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung sowie eine unzureichende pro-europäische Haltung, die den Wirtschaftsstandort gefährden könnte. Weitere Vorbehalte umfassen die Nähe der FPÖ zu Russland, Sicherheitsbedenken ausländischer Geheimdienste, die eine Zusammenarbeit mit Österreich erheblich einschränken würden sowie ein rückwärtsgewandtes Frauenbild und die fehlende Abgrenzung gegenüber Rechtsextremismus.

Kurz nach dem Statement von Van der Bellen meldete sich Kickl zu Wort. "Das mag für ganz viele von Euch wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Aber ich verspreche Euch: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", schrieb er auf Facebook.

Weiter mahnte der Bundespräsident ÖVP und SPÖ zur Kompromissbereitschaft. In verschiedenen TV-Diskussionen sei deutlich geworden, dass die inhaltlichen Positionen zu zentralen Zukunftsfragen teilweise weit auseinanderlägen. Hier sei ein Aufeinanderzugehen und ein gegenseitiges Verständnis notwendig, sagte Van der Bellen. Österreich benötige nun tiefgreifende Reformen, die konsequent umgesetzt werden müssten.

Zudem müsse geklärt werden, ob mit der knappen Mehrheit von ÖVP und SPÖ im Nationalrat eine stabile Regierung gebildet werden kann oder ob eine dritte Partei in die Verhandlungen einbezogen werden soll. Als möglicher Partner für eine in Österreich sogenannte "Zuckerl-Koalition" kämen grundsätzlich die Neos und die Grünen in Frage. Die Grünen waren zuletzt Juniorpartner in der Regierung mit der ÖVP.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich Redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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