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Kanzler lädt Verbände und Gewerkschaften ins Kanzleramt |
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Scharfe Kritik an der EU-Kommission vor EU-Gipfel |
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Merz: Ampel hat Wirtschaftskrise selbst verursacht |
(Durchgehend neu, mehr Scholz, Merz, GKV) |
- von Andreas Rinke und Alexander Ratz |
Berlin, 16. Okt (Reuters) - Wegen der angeschlagenen |
Wirtschaft hat Bundeskanzler Olaf Scholz einen neuen Pakt für |
die Industrie vorgeschlagen. Er wolle Industrie- und |
Unternehmensverbände sowie Gewerkschaften diesen Monat ins |
Kanzleramt einladen, um über nötige Maßnahmen zu beraten, sagte |
der SPD-Politiker am Mittwoch in einer Regierungserklärung zum |
EU-Gipfel im Bundestag. "Und das, was dabei rauskommt, werde ich |
diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg zu bringen, damit |
es vorangeht in Deutschland", sagte Scholz. Die Bundesrepublik |
sei ein Industrieland und müsse es bleiben. Oppositionsführer |
Friedrich Merz (CDU) warf Scholz vor, dass die Ampel selbst an |
der Misere Schuld sei. |
In seiner Rede sagte Scholz, dass sowohl günstige Industriepreise für die Unternehmen nötig seien als auch ein drastischer Abbau von Vorschriften auf EU-Ebene. Er forderte die EU-Kommission auf, dies anzugehen. Zudem griff er die Brüsseler Behörde wegen der schleppenden Verhandlungen zu neuen Freihandelsabkommen scharf an.
Zu den Problemen der Wirtschaft kommt hinzu, dass Beschäftigte und Arbeitgeber 2025 mit einem deutlich höheren Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rechnen müssen. Der Schätzerkreis der GKV sprach am Mittwoch von einer Steigerung um 0,8 Prozentpunkte auf dann 2,5 Prozent. Scholz betonte im Gegenzug, dass man die Kalte Progression in der Einkommensteuer abschaffen und die Kinderfreibeträge und das Kindergeld erhöhen wolle.
Merz verwies darauf, dass die deutsche Wirtschaft auch das zweite Jahr in Folge nicht wachse. Der Kanzler hätte eigentlich zum EU-Gipfel sprechen sollen. "Gehört haben wir eine vorgezogene, fast schon verzweifelte Wahlkampfrede eines Bundeskanzlers, der mit dem Rücken zur Wand und den Füßen am Abgrund steht", sagte der CDU-Vorsitzende.
Scholz folgt mit der Rede dem Kurs seiner Partei. Diese hatte am Wochenende die Industriepolitik in den Mittelpunkt der Vorbereitung für die Bundestagswahl 2025 gestellt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte den Kanzler wegen der Probleme der Industriebetriebe aufgefordert, es müsse eine "konzertierte Aktion" von Unternehmen und Gewerkschaften geben.
Scholz betonte auch, dass bezahlbare, günstige Energiepreise nötig seien. Die Unternehmen könnten sich darauf verlassen, dass es keine Kostenexplosion bei den Netzentgelten geben werde. "Wenn der Strompreis eine solche Bedeutung hat, darf er eben nicht zu teuer sein", sagte er. Auch hier hatte ihn die SPD seit zwei Jahren gedrängt, endlich einem gedeckelten Industriestrompreis zuzustimmen.
Zugleich übte der Kanzler scharfe Kritik an der EU-Kommission bei der Verhängung von Strafzöllen gegen den Import von E-Autos aus China. "Unser Ziel muss sein, dass wir die besten Autos bauen, die auf den internationalen Märkten konkurrieren können, auch gerade was Elektromobilität betrifft", sagte er. "Das wollen wir aber nicht erreichen mit irgendwelchen Zöllen, sondern dadurch, dass wir faire Handelsbedingungen herstellen", betonte Scholz. "Es gibt Bereiche, wo Schutz notwendig ist, wie zum Beispiel beim Stahl. Und es gibt auch Bereiche, wo die Industrie und die Unternehmen und die Arbeitnehmer danach fragen. Ausgerechnet die Autoindustrie war es nicht", sagte Scholz. Deshalb habe Deutschland in Brüssel gegen die Strafzölle gestimmt.
Einen Tag vor dem EU-Gipfel in Brüssel, auf dem auch über die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gesprochen werden soll, kritisierte Scholz, dass es keine Fortschritte bei der Vollendung der Kapitalmarktunion gegeben habe. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und er würden dies zum Thema der nächsten Jahre machen. Die Kapitalmarktunion wird als wichtiger Baustein zur Finanzierung gerade kleinerer und junger Unternehmen gesehen.
Scholz forderte auch auf EU-Ebene verstärkte Anstrengungen, um jeden Industriearbeitsplatz zu kämpfen. Europa dürfe im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen. Unterstützung erhielt er am Mittwoch von DIHK-Präsident Peter Adrian. "Die Mitgliedstaaten müssen sich für gute Standortbedingungen, den Abbau von Bürokratie, wettbewerbsfähige Energiepreise und die Vollendung des Binnenmarktes einsetzen", forderte Adrian. Auch er forderte den Abschluss neuer Handelsabkommen.
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Ehrhardt und Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)