Nachricht


24.10.2024 /11:48:10
FOKUS 1-Euro-Wirtschaft im Abwind - "Fallender Leitzins noch ohne positive Wirkung"

(Neu: PMI aus Deutschland, Experten, Hintergrund, Details)

*

Euro-Zone schafft Sprung über Wachstumsschwelle nicht

*

Barometer signalisiert zweiten Monat in Folge Abschwung

*

Deutschland bremst Talfahrt

*

Ökonom: Industrie hierzulande nicht mehr in freiem Fall
 
Berlin, 24. Okt (Reuters) - Trotz der Zinssenkungen der
EZB schrumpft die Wirtschaft der Euro-Zone laut einer Umfrage.
Der Einkaufsmanagerindex (PMI) signalisierte im Oktober den
zweiten Monat in Folge eine Talfahrt, wie der
Finanzdienstleister S&P Global am Donnerstag mitteilte. Die
Euro-Zone blieb trotz eines leichten Anstiegs 0,3 Punkte unter
der Wachstumsschwelle von 50 Zählern, obwohl die deutsche
Wirtschaft nicht mehr so stark schrumpfte wie noch im September.
"Während der bevorstehenden Wintermonate läuft die Euro-Zone
Gefahr, in die Rezession zu rutschen", warnte Chefvolkswirt
Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank.

Die noch immer schwache Konjunktur in Deutschland belaste den gemeinsamen Währungsraum. Aber auch für Frankreich lasse der Einkaufsmanagerindex wenig Gutes erahnen: Dort beschleunigte sich die Talfahrt: Mit einem Wert von 47,3 ist das Barometer auf ein tieferes Niveau abgerutscht als in Deutschland, wo es auf 48,4 Punkte anstieg.

Laut dem Deutschland-Chefvolkswirt von Deutsche Bank Research, Robin Winkler, signalisieren die PMI-Daten, dass sich das Verarbeitende Gewerbe hierzulande "nicht mehr in freiem Fall befindet". Dennoch stehen die Zeichen dem Experten zufolge nach wie vor auf Abschwung: "Gleichzeitig expandiert weiterhin der Dienstleistungssektor. Insgesamt besteht kein Zweifel daran, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr stagniert." Doch es sei noch lange nicht ausgemachte Sache, dass das Land in einer Rezession stecke: "Der Ausgang der US-Wahlen wird wohl über die Chancen eines konjunkturellen Schlussspurts zum Jahresende entscheiden."

Bei einem Sieg von Donald Trump müssen sich Deutschland und der gesamte Euroraum laut Bundesbankchef Joachim Nagel auf gravierende wirtschaftliche Folgen gefasst machen. Der größten Volkswirtschaft der Euro-Zone drohen einer Studie zufolge im Falle eines Handelskriegs mit den USA unter einem republikanischen Präsidenten milliardenschwere Verluste. Diese dürften sich binnen vier Jahren auf bis zu 180 Milliarden Euro summieren, heißt es in einer Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Die Exportnation Deutschland würde demnach stärker unter einem Handelskrieg leiden als andere wichtige Euro-Länder.

WEITERE ZINSSENKUNGEN ERWARTET

"Die fallenden Leitzinsen der EZB entfalten offenbar noch keine positive Wirkung", meint Ökonom Vincent Stamer von der Commerzbank mit Blick auf den Abschwung im Euroraum. Vielmehr wirkten die vorhergehenden Zinserhöhungen immer noch nach. Angesichts der Wachstumsschwäche und zugleich deutlich gesunkener Inflationsraten ist in der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Kontroverse entbrannt, wie stark die Zinsen noch sinken sollten. Vorige Woche kappte sie zum dritten Mal in diesem Jahr ihren Leitzins. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz wurde um einen Viertelpunkt auf 3,25 Prozent nach unten gesetzt, nur fünf Wochen nach der vorherigen Senkung. Anleger rechnen damit, dass es auf den kommenden Sitzungen nun weiter Schlag auf Schlag nach unten geht. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau warnte jüngst vor der Gefahr, dass die Inflation zu niedrig ausfalle, "insbesondere wenn das Wachstum unterdurchschnittlich bleibt".

Ausschlaggebend für den anhaltenden Abschwung im Euroraum war die anhaltende Nachfrageschwäche, was die fünften Auftragsverluste in Folge zeigten. Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist sanken auf ein Elf-Monatstief, wie S&P Global weiter mitteilte. Die minimalen Wachstumseinbußen im Euroraum kaschierten demnach die unterschiedliche Entwicklung zwischen der Industrie und dem Servicesektor.

So wurde die Produktion ein weiteres Mal kräftig zurückgefahren, im Vergleich zu September jedoch mit leicht verringerter Rate. Der Dienstleistungssektor vermeldete trotz Nachfrageflaute weiter Zuwächse. Dieses Barometer sank jedoch auf 51,2 Punkte - den tiefsten Wert seit Februar. "In der Euro-Zone kann man praktisch von einer Stagnation sprechen", so das Fazit von Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank. Derzeit sei unklar, ob sich die Lage in naher Zukunft weiter verschlechtere oder verbessere.

(Bericht von Reinhard Becker, Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.