Berlin, 12. Nov (Reuters) - Börsenprofis schauen nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA pessimistischer auf die deutsche Konjunktur. Das Barometer für die Aussichten in den kommenden sechs Monaten fiel im November um 5,7 Punkte auf 7,4 Zähler, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner Umfrage unter 152 Analystinnen und Analysten mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem leichten Rückgang auf 13,0 Punkte gerechnet. Das Barometer für die aktuelle Lage gab abermals nach, und zwar um 4,5 Punkte auf minus 91,4 Zähler. Das ist der schlechteste Wert seit Mai 2020, als die Corona-Pandemie zu einer schweren Rezession führte.
Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
"Der ZEW-Saldo der Konjunkturerwartungen ist entgegen der Konsensschätzung deutlich gesunken. Vermutlich haben die Sorgen wegen einer zweiten Regierungszeit von Donald Trump in den USA und der Bruch der Koalition hierzulande für Verunsicherung gesorgt, denn die ähnlich strukturierte aber früher durchgeführte Sentix-Befragung hatte sich positiv entwickelt. Die konjunkturellen Perspektiven in Deutschland bleiben verhalten, zumal auch die Lagebeurteilung hinter den Erwartungen zurückgeblieben und nochmal kräftig gesunken ist. Mithin werden die Zinssenkungsspekulationen bezüglich der Europäischen Zentralbank nicht gedämpft, sondern untermauert."
ROBIN WINKLER, DEUTSCHLAND-CHEFVOLKSWIRT DEUTSCHE BANK: |
"Die ZEW-Umfrage für den Monat November bestätigt, dass |
die Verbesserung in den Konjunkturerwartungen vom Oktober noch |
mit Vorsicht zu genießen war. Die Erholung kommt im November |
vorerst zum Erliegen. Allerdings wurde die Umfrage in der |
vergangenen Woche erhoben, das heißt zu einem Zeitpunkt höchster |
politischer Unsicherheit in den USA und in Deutschland. Vor |
diesem Hintergrund ist der kleine Rückprall in der |
Konjunkturerwartung nicht überraschend und hätte wohl noch |
größer ausfallen können." |
"Das Konjunkturdesaster scheint doch noch in neue Dimensionen vorzustoßen. Immer, wenn man denkt, es geht nicht noch schlechter, wird man eines Besseren belehrt. Die Lagebeurteilung deutet auf ein konjunkturell erneut schwieriges Quartal hin. Der Auftragsmangel ist eine hohe Bürde für die Industrie, der Zinssenkungen kaum helfen. Mit der drohenden Zollkeule Trumps gerät die Lage nochmals unter Druck. Das Ampel-Aus gibt zumindest Hoffnung auf eine wieder verlässliche Wirtschaftspolitik. Inwieweit das Unternehmen beeindruckt, werden erst die nächsten Umfragen zeigen. Vorerst gilt: Wo heute nicht investiert wird, findet morgen keine Produktion statt."
"Die Zurückhaltung der Experten ist angebracht, denn mit der Wahl von Donald Trump steigt die Unsicherheit. Die Herausforderungen für das Wachstum in Europa und Deutschland waren bereits groß ? unter dem Licht einer Trump-Präsidentschaft dürften sie noch größer werden. Die Agenda der Regierung Trump sieht unter anderem höhere Importzölle vor, die insbesondere deutsche Exporte belasten. Bereits vor der US-Wahl haben sich die hiesigen Unternehmen angesichts der schwachen Wirtschaftsdynamik mit Investitionen zurückgehalten. Die Trump-Präsidentschaft dürfte zu einer Zusatzbelastung der europäischen Wirtschaft werden. Gleichzeitig sind die Hoffnungen auf eine großzügigere Fiskalpolitik in Deutschland bislang noch Spekulation und wenig greifbar. Das sind keine guten Aussichten für die Wirtschaft in den kommenden Monaten. Wir rechnen für 2025 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 0,2 Prozent."
(Bericht von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)