(durchgehend neu)
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Witkoff und Selenskyj berieten erneut im Kanzleramt
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Treffen der Europäer mit Selenskyj am Abend geplant
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Bundesregierung: Russische Klage verhindert Nutzung Staatsvermögen nicht
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| Kallas warnt: Russland macht nicht im Donbass halt |
| - von Andreas Rinke und Alexander Ratz |
| Berlin, 15. Dez (Reuters) - Die Berliner Gespräche |
| zwischen den USA und der Ukraine über eine Beendigung des |
| russischen Angriffskrieges sind am Montagnachmittag zu Ende |
| gegangen. Die teilte das Büro des ukrainischen Präsidenten |
| Wolodymyr Selenskyj mit. Ergebnisse der am Sonntag begonnenen |
| Verhandlungen wurden zunächst nicht bekannt. Am Nachmittag |
| wollen Bundeskanzler Friedrich Merz und Selenskyj auf dem |
| deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum sprechen, bevor sie zu |
| einem bilateralen Treffen im Kanzleramt zusammenkommen. Am Abend |
| sind Gespräche mit mehreren europäischen Staats- und |
| Regierungschefs sowie den Spitzen von EU und Nato geplant - dazu |
| sind auch US-Vertreter eingeladen. Außenminister Johann Wadephul |
| sagte, dass es um ein Symbol der Geschlossenheit und |
| Unterstützung für die Ukraine gehe. |
Bereits am Sonntag hatten die US-Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner, der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, mit Selenskyj mehrere Stunden verhandelt. Während Witkoff danach von großen Fortschritten sprach, äußerten sich andere mit den Gesprächen vertraute Personen vorsichtiger. Dies war auch am Montag der Fall. Die zentrale Frage blieb von der Ukraine geforderte Sicherheitsgarantien. Selenskyj hatte vor seinem Abflug nach Berlin gesagt, dass sein Land auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten könnte, wenn es ausreichende Sicherheitsgarantien vor einem erneuten russischen Überfall erhalte. Zudem könne man auf Basis des derzeitigen Frontverlaufs Gespräche mit Russland beginnen.
Außenminister Wadephul sagte dazu: "Wenn das die Angebote der Ukraine sind, dann ist das doch eine Linie, auf die Russland sich einlassen kann." Russland müsse aber wissen, dass Deutschland und Europa an der Seite der Ukraine stünden. Er bezeichnet diese Woche als entscheidend für die Ukraine-Gespräche.
Russland selbst bezeichnete einen Nato-Verzicht der Ukraine als eine grundlegende Frage bei möglichen Friedensgesprächen. Dies sei einer der Eckpfeiler und Gegenstand besonderer Diskussionen, sagt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Russland erwarte nach den Gesprächen der USA mit europäischen Ländern und der Ukraine in Berlin eine Unterrichtung durch die US-Regierung.
Während Trump auf ein schnelles Ende der Kämpfe drängt, fordern die Europäer die USA auf, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf weiter zu unterstützen und das Land nicht in einen Diktatfrieden mit Russland zu drängen. Am Donnerstag wollen die Europäer deshalb auf dem EU-Gipfel den Weg frei machen, um mehr als 200 Milliarden Euro an eingefrorenem russischem Staatsvermögen für die Finanzierung des ukrainischen Abwehrkampfes zu nutzen. Dies würde den Militäretat der Ukraine für die kommenden zwei, drei Jahre finanzieren und gilt als entschiedenes Signal an Russlands Präsident Wladimir Putin, nicht auf einen Kollaps der Ukraine zu setzen. Dies gilt auch deshalb als wichtig, weil Selenskyj innenpolitisch durch einen Korruptionsskandal im engsten Mitarbeiterkreis als schwer angeschlagen gilt.
Sowohl Russland als auch die USA lehnen die Nutzung dieser sogenannten frozen assets ab. Die russische Zentralbank reichte am Montag vor einem Gericht in Moskau Klage gegen die Nutzung des Geldes in Höhe von 18,2 Billionen Rubel (rund 195 Milliarden Euro) ein. In Berlin zeigte sich Regierungssprecher Stefan Kornelius davon unbeeindruckt. Dies werde die Pläne nicht stören. Deutschland wolle einen Beschluss beim EU-Gipfel am Donnerstag. Er wollte auch Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der weiter enge Verbindungen zu Russland unterhält, nicht kommentieren, der von einer "Kriegserklärung der EU" gesprochen hatte. Die Entscheidung kann mit qualifizierter Mehrheit und damit ohne Ungarn und die Slowakei fallen, deren Regierung ebenfalls als russlandnah gilt.
Die EU-Außenminister beschlossen zudem am Montag Sanktionen gegen Unterstützer der russischen Schattenflotte von Öltankern. Dabei geht es um Tanker, die außerhalb westlicher Kontrolle und Schifffahrtsstandards operieren und mit deren Hilfe Russland Sanktionen beim Ölexport umgeht. Betroffen sind nach Aussage eines EU-Vertreters neun Geschäftsleute mit Verbindungen zu den russischen Ölkonzernen Rosneft und Lukoil sowie Reedereien, die Tanker besitzen und verwalten. Zudem sind 14 Personen und Organisationen im Rahmen der Sanktionen gegen hybride Bedrohungen auf der Liste.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche sprach auf dem deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum von "schicksalhaften Tagen" für die Ukraine. Russland wolle die Ukraine mit Angriffen auf die Energieinfrastruktur zermürben, was aber nicht gelingen werde. "Die Ukraine muss ihre Souveränität behalten", betonte sie. Deswegen habe die Bundesregierung zuletzt bereits ihre Hilfen für den Energiefonds aufgestockt. Das Ziel sei es, die Energieversorgung der Ukraine über den Winter zu sichern.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte vor den Beratungen der EU-Außenminister gewarnt, die Einnahme des gesamten Donbass im Osten der Ukraine sei nicht das Endziel des russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Wir müssen verstehen, dass, wenn er den Donbass bekommt, die Festung gefallen ist und sie dann definitiv weitermachen werden, um die ganze Ukraine einzunehmen", warnte Kallas. "Wenn die Ukraine fällt, sind auch andere Regionen in Gefahr." Putin will den gesamten Donbass annektieren.
Drei Viertel der Ukrainer lehnen einer Umfrage zufolge größere Zugeständnisse in einem Friedensabkommen ab. Eine Erhebung des Internationalen Soziologischen Instituts Kiew ergab, dass 72 Prozent der Ukrainer bereit wären, ein Abkommen zu akzeptieren, das die aktuelle Frontlinie einfriert und einige Kompromisse beinhaltet. Allerdings hielten 75 Prozent US-Forderungen, Gebiete an Russland abzutreten oder die Begrenzung der Größe ihrer Armee ohne klare Sicherheitsgarantien für "völlig inakzeptabel".
(Mitarbeit: Christian Krämer, Dmitry Antonov, Dan Peleschuk, redigiert von .)