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Innenministerin: "Jeder Stein wird umgedreht"
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Faeser: Aber noch zu früh für konkrete Konsequenzen
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Regierungssprecherin: Müssen erst Ermittlungen abwarten
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Sicherheitspaket nach Solingen-Tat noch nicht beschlossen
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FDP lehnt schärfere Gesetze ab, Union fordert diese
(neu: Faeser und weitere Statements nach Innenausschuss-Sitzung)
Berlin, 30. Dez (Reuters) - Bei dem Anschlag auf den |
Weihnachtsmarkt in Magdeburg sind nach Darstellung aller |
Parteien im Bundestag Fehler der Behörden gemacht worden. |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser versprach am Montag in Berlin |
nach einer rund vierstündigen Sondersitzung des Innenausschusses |
lückenlose Aufklärung. "Hier wird jeder Stein umgedreht", so die |
SPD-Politikerin. Es sei aber noch zu früh, um konkrete Schlüsse |
zu ziehen. Das Land Sachsen-Anhalt habe die |
Bundestagsabgeordneten über den aktuellen Stand informiert. |
In Magdeburg ist wenige Tage vor Weihnachten ein aus Saudi-Arabien stammender Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge gerast. Fünf Personen wurden dabei getötet, über 200 wurden verletzt. Faeser sprach von einem furchtbaren Anschlag. Sie trauere um die Opfer. Das Motiv des Täters sei noch nicht eindeutig, es habe aber eine klare Tötungsabsicht gegeben. Faeser betonte, die Gesetze seien bereits verschärft worden. Außerdem stünden im Haushaltsentwurf für 2025 eine zusätzliche Milliarde für Sicherheitsbehörden.
Die Opposition verwies auf offensichtliche Fehler. "Der Täter war den Behörden in Bund und Land als Autor zahlreicher verschwörungsideologischer Inhalte, aber auch konkreter Drohungen in Eingaben an Behörden und Justiz sowie in den sozialen Medien bekannt", sagte FDP-Politiker Konstantin Kuhle. "Um herauszuarbeiten, warum aus diesen zahlreichen Anhaltspunkten zusammen mit den eingegangenen Hinweisen aus dem Ausland keine intensiveren Maßnahmen der Sicherheitsbehörden erfolgt sind, braucht es nun eine lückenlose Zusammenstellung aller Behördenkontakte des Täters." Diese lägen aber noch nicht vor, weswegen es weitere Sitzungen des Innenausschusses brauche. "Nichts spricht nach der derzeitigen Erkenntnislage dafür, dass die Behörden bestimmte Maßnahmen ergreifen wollten, dies aber nicht durften."
Die AfD forderte mehr Abschiebungen von Personen, die Taten ankündigten. "Es war alles absehbar", sagte AfD-Politiker Gottfried Curio. Zahlreiche Warnungen seien nicht ernst genommen worden. Es gebe eine "bräsige Unwilligkeit" vieler Behörden. CSU-Politikerin Andrea Lindholz sagte, der Täter sei 2006 nach Deutschland gekommen und habe hier als Arzt gearbeitet, sei aber durch Drohungen gegen Behörden und Strafverfahren bekannt gewesen. Es müsse geklärt werden, ob die Behörden ausreichend gut vernetzt gewesen seien. Denn der Täter sei offenbar unter dem Radar geflogen.
Die Bundesregierung will vorerst keine Konsequenzen ziehen. Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden müssten abgewartet werden, sagte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin. Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe zuletzt aber deutlich gemacht, dass die Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse bräuchten. Ein entsprechendes Sicherheitspaket - geschnürt nach dem Anschlag in Solingen - sollte so rasch wie möglich vom Parlament beschlossen werden.
Die Union hat den entsprechenden Gesetzentwurf der |
geplatzten Ampel-Koalition im Bundesrat blockiert. Neben der |
Ausweitung der Kompetenzen von Sicherheitskräften sieht er |
Leistungskürzungen für ausreisepflichtige Asylbewerber und eine |
Verschärfung des Waffenrechts mit Blick auf Messer vor. |
SPD-Politiker Sebastian Hartmann kritisierte die Union: Die |
Blockade sei unverantwortlich. CDU/CSU sollten hier den |
Wahlkampf einstellen. Lindholz konterte, das Paket sei zu klein |
und müsse ergänzt werden, etwa um die Möglichkeit der |
Speicherung von IP-Adressen. |
In Solingen waren im August bei einem Stadtfest drei Menschen durch Messerstiche getötet worden. Der Tatverdächtige hätte eigentlich längst nach Bulgarien abgeschoben werden sollen.
Zur Tat in Magdeburg sagte SPD-Politiker Hartmann, die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort seien zu anfällig gewesen. Aus Warnhinweisen aus dem Ausland seien keine Handlungen abgeleitet worden. "Es sind Fehler passiert", sagte für die Grünen die Innenexpertin Irene Mihalic. Am Ende werde es die Verantwortung geklärt werden müssen. Dafür sei es jetzt aber noch zu früh.
(Bericht von Christian Krämer. Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)