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15.01.2025 /10:20:50
SPOTANALYSE-Experten zur erneut geschrumpften Wirtschaftsleistung

Berlin, 15. Jan (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft ist 2024 das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt fiel um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Berlin mitteilte. 2023 hatte es einen Rückgang von 0,3 Prozent gegeben. Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es zuletzt 2002/03. Ökonomen sagten dazu in ersten Reaktionen:

CYRUS DE LA RUBIA, CHEFÖKONOM DER HAMBURG COMMERCIAL BANK:

"Dass sich Deutschland 2024 nicht aus der Rezession befreien konnte, hat verschiedene Ursachen. Ganz allgemein gesprochen waren die Marktakteure verunsichert, was sie bei Investitionen und Konsum gebremst hat. Konkret hat der politische Stillstand in Deutschland und das Ende der Koalition Vertrauen in die Zukunft gekostet. Frankreichs politische Lähmung hat nicht geholfen, zumal das Land unsere wichtigste Exportdestination in der EU ist. Dazu kam noch der Krieg im Nahen Osten, der die geopolitische Unsicherheit verschärft hat. All dies hat dazu geführt, dass die privaten Haushalte trotz realer Einkommenszuwächse lieber gespart als konsumiert haben. Unternehmen wiederum haben ihre Investitionspläne zurückgestellt oder haben teilweise ihre Produktion ins Ausland verlagert."

ALEXANDER KRÜGER, HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:

"Außer Spesen war auch 2024 nichts gewesen. Die Wachstumsbilanz zeigt nun schon drei Jahre Stillstand an. Die Stagnationstendenzen haben sich derart verfestigt, dass der Hebel nur noch schwer umzulegen ist. Das liegt auch daran, dass Planbarkeit und Verlässlichkeit derzeit keine deutschen Tugenden sind. Unter dem Strich jedenfalls sind Privathaushalte und Unternehmen weiterhin mächtig verunsichert. Neben der Anpassung von Standortbedingungen ist vor allem auch ein Mentalitätsproblem zu bewältigen. Gesucht ist ein neuer Spirit mit Eigenverantwortlichkeit, Leistungsprinzip und Rückzug des Staates aus dem Wirtschaftsleben. Für 2025 wird bestenfalls ein Mini-Wachstum zu Buche stehen. Den laufenden Arbeitsplatzabbau und die Abwanderungstendenzen dürfte das nicht aufhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Bundesregierung das Ruder herumreißen kann."

SEBASTIAN DULLIEN, GEWERKSCHAFTSNAHES INSTITUT IMK:

"Die Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt 2024 zeigen, wo die Probleme der deutschen Wirtschaft liegen: Eine rückläufige Investitions- und Exportnachfrage bremsen die Wirtschaft aus und der Privatkonsum kann den Rückgang nicht ausgleichen. Auch für das laufende Jahr sind die Perspektiven mau. Weil die belastenden Faktoren weiter bestehen, ist keine schnelle Trendwende zu erwarten, und es droht ein weiteres Jahr an der Stagnationsgrenze."



(Bericht von Christian Krämer und Klaus Lauer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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