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14.12.2023 /06:00:00
Experten - Stau auf dem Weg an die Börse soll sich 2024 auflösen

München, 14. Dez (Reuters) - Nach einem mageren Jahr für Börsengänge schüren Experten vorsichtigen Optimismus für das kommende Jahr. Zehn bis zwölf Neuemissionen deutscher Unternehmen seien 2024 möglich, sagte Listing-Experte Martin Steinbach von der Unternehmensberatung EY. "Es hat sich ein gewisser Rückstand aufgebaut. Deshalb ist die Frage nur, wann und nicht ob die Aktivitäten wieder in Schwung kommen." Wegen der Lage der Osterfeiertage, die die Emittenten zu umgehen versuchen, seien die ersten Ankündigungen nicht vor April zu erwarten. "Wenn jetzt noch ein geopolitischer Schock kommt, ist das natürlich obsolet.", schränkt Steinbach ein. Auch Investmentbanker Michele Iozzolino von JPMorgan sieht eine "große Pipeline" von Firmen, die in ihren Vorbereitungen für einen Börsengang in Frankfurt schon weit seien.

Im zu Ende gehenden Jahr hat EY acht Börsengänge deutscher Unternehmen gezählt, davon waren aber nur vier klassische Neuemissionen. Laut der Beratungsfirma Kirchhoff Consult war das Emissionsvolumen in Frankfurt mit 1,9 Milliarden Euro das zweitgeringste der vergangenen zehn Jahre. Der mit einem Volumen von 1,39 Milliarden Euro größte Börsengang einer deutschen Firma ging in diesem Jahr in New York statt in Frankfurt über die Bühne: Der französische Mehrheitseigentümer des Gesundheitsschuh-Herstellers Birkenstock <BIRK.N> entschied sich für den US-Börsenplatz, weil das Unternehmen dort die größten Wachstumsraten erwartet.

Steinbach sieht darin keinen Trend: Es hänge immer von der Strategie ab, wo ein Unternehmen an die Börse gehe. Grundsätzlich neigten Firmen zu ihrem heimischen Börsenplatz oder zu derjenigen Börse, an der die meisten Unternehmen aus ihrem Umfeld gelistet seien. "Die beiden wichtigsten Elemente eines Börsengangs sind die Bewertung und die langfristige Kursentwicklung danach - beide müssen gesichert sein", sagte Investmentbanker Iozzolino. Nur sieben Prozent der Emittenten entschieden sich 2023 laut EY für einen Börsengang im Ausland, zwölf von 15 "Auswanderern" aus Europa gingen dabei in die USA.

Weltweit sei 2023 ein durchschnittliches Jahr für Börsengänge gewesen, sagte Steinbach. Die Zahl der Neuemissionen ging um acht Prozent auf 1298 zurück, das Emissionsvolumen um 33 Prozent auf 123,2 Milliarden Dollar. Das war vor allem einem Einbruch in Asien geschuldet, während in Europa sieben Prozent mehr Firmen an den Aktienmarkt drängten, aber 39 Prozent weniger damit erlösten.

Vier Börsengänge deutscher Unternehmen rangieren unter den größten zehn in Europa: Neben Birkenstock sind das der Pharmaverpackungs-Hersteller Schott Pharma <1SXP.F>, Thyssenkrupp Nucera <NCH2.DE> und die United-Internet-Tochter Ionos <IOSn.DE>. Obwohl der Leitindex Dax <.GDAXI> im Herbst auf ein Rekordhoch stieg, verloren Investoren, die beim Börsengang einstiegen, mit Ionos und Nucera rund ein Viertel ihres Einsatzes, Birkenstock notierten nach sieben Wochen erstmals über dem Ausgabepreis. Schott Pharma legten 14 Prozent zu. Der Panzerbauer Renk und der Tankkarten-Anbieter DKV Mobility verschoben im Gaza-Schock ihre Pläne. Beide könnten 2024 einen neuen Anlauf nehmen. Daneben nennt Kirchhoff den Fernbusanbieter Flix, die Solarisbank und den Personalsoftware-Hersteller Personio als Börsenkandidaten.

Größer als Birkenstock waren aus Europa nur der
britische Chip-Konzern Arm Holdings <ARM.O> (5,23 Milliarden
Dollar), der sich für die US-Börse Nasdaq entschied, und die
rumänische Hidroelectrica (2,05 Milliarden Dollar) in
Bukarest.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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