Frankfurt, 03. Jun (Reuters) - Drei Jahre nach Projektstart nimmt eine Anlage zur Produktion von grünem Flugbenzin in Frankfurt die Produktion auf. Das Karlsruher Startup Ineratec eröffnete am Dienstag im Industriepark Höchst die Fertigungsstätte. "Unsere Anlagen sind die Ölfelder der Zukunft ? mit einem entscheidenden Unterschied: Unsere Produkte sind klimaneutral", sagte Ineratec-Chef Tim Böltken. Die Kraftstoffe auf Basis des synthetischen Rohöls setzten bei der Verbrennung genauso viel CO2 frei wie zu ihrer Herstellung aus der Atmosphäre entnommen werde.
Geplant ist zunächst eine jährliche Menge von 2500 Tonnen e-Fuels, die zu klimaneutralem Kraftstoff für Flugzeuge, Schiffe und Schwerlaster weiterverarbeitet werden - Verkehrsmittel, die zu groß und zu schwer sind, um mit Batterien emissionsfrei angetrieben zu werden. Ineratecs Produkt wird mit dem Verfahren "Power-to-Liquid" (P-t-L) aus grünem Strom, Wasserstoff und CO2 hergestellt. Böltken zufolge ist es die größte Anlage in Europa, die e-Fuels so gewinnt.
Alternativ gibt es P-t-L mit Methanol als Zwischenprodukt. Hier ist das niederländische Unternehmen Power2X in Europa führend, das bis Ende des Jahrzehnts 250.000 Tonnen im Jahr produzieren will. Die synthetischen grünen Kraftstoffe sind eine Art nachhaltiger Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel - SAF), dem wichtigsten Hebel für die CO2-Reduktion im Luftverkehr. In industriellem Maßstab hergestellt wird bisher biogenes SAF auf Basis von Altöl- und -fetten. Es ist nach Schätzung des internationalen Airline-Verbandes IATA drei bis vier Mal so teuer wie fossiles Kerosin. E-Fuels wie das von Ineratec kosten etwa sieben Mal so viel.
Die Preise könnten mit steigender Produktion sinken. Doch der Hochlauf der SAF-Produktion kommt trotz politischer Weichenstellungen mit verpflichtenden Beimischungsquoten in Europa seit Jahren kaum voran. Airlines wie die Lufthansa <LHAG.DE> warnten, die geforderten Quoten nicht zu schaffen. Bußgelder würden zwar den Kerosin-Verkäufern auferlegt, auf die Fluggesellschaften aber abgewälzt, ist die Sorge. IATA erwartet für dieses Jahr eine Verdoppelung der weltweiten SAF-Menge auf zwei Millionen Tonnen, was nur 0,7 Prozent des Kerosinbedarfs ausmacht. Die Lobby kritisiert, die Produzenten - vor allem Ölkonzerne - hätten zu wenig Ehrgeiz, sich vom für sie lukrativen klimaschädlichen Treibstoff umzustellen.
Das Projekt von Ineratec in Frankfurt, in das neben staatlicher Förderung auch Geld von privaten Investoren floss, kostete bislang rund 40 Millionen Euro. Die Anlage soll noch erweitert werden, weitere Projekte an anderen Standorten laufen schon oder sind geplant. Dafür erhält die Firma von der staatlichen Europäischen Investitionsbank (EIB) 40 Millionen Euro Kredit und von Breakthrough Energy Catalyst, einer Stiftung des Tech-Milliardärs Bill Gates, weitere 30 Millionen Euro.
Kostengünstiger kann das e-Fuel außerhalb Deutschlands hergestellt werden, in Ländern wie Chile oder in Nordeuropa, wo es viel Grünstrom aus Sonnenenergie oder Wasserkraft gibt. Entscheidend ist nach Worten Böltkens, dass der klimafreundliche Kraftstoff jetzt marktreif sei. Mit Blick auf das Zögern der Ölmultis ergänzte er: "Wir sind die Pioniere und ihnen ein paar Jahre voraus."
(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)