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02.07.2024 /15:44:56
FOKUS 2-Orban schlägt in Kiew Waffenruhe vor - Russland greift Flugplätze an

(neu: Stellungnahmen Orban und Selenskyj)

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Ungarns Regierungschef berät mit Selenskyj

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Orban: Waffenruhe würde Friedensgespräche beschleunigen

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Russland meldet Zerstörung von fünf ukrainischen Kampfjets
 
Kiew/Budapest, 02. Jul (Reuters) - Einen Tag nach Beginn
der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft hat Ministerpräsident
Viktor Orban erstmals seit Kriegsbeginn die ukrainische
Hauptstadt Kiew besucht. Nach seinem Gespräch mit Präsident
Wolodymyr Selenskyj plädierte Orban am Dienstag für eine
Waffenruhe, um Friedensgespräche in dem seit Februar 2022
dauernden Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu
beschleunigen. Damit schlug Orban einen anderen Ton an als die
meisten EU-Vertreter, die bei ihren Besuchen in Kiew der Ukraine
wiederholt militärische Hilfe zugesichert haben.

Orban hingegen kritisiert massiv die EU-Militärhilfen und pflegt enge Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dessen Militär zerstörte nach eigenen Angaben fünf ukrainische Kampfjets und nahm den Luftwaffenstützpunkt in Starokostjantyniw in der Westukraine unter Beschuss - kurz vor der im Juli erwarteten Ankunft der ersten von westlichen Verbündeten gelieferten F-16-Kampfjets. Die Ukraine erklärte indes, sie habe mit Kampfjets, die gemäß russischer Propaganda eigentlich zerstört sein sollten, ein russisches Munitionsdepot auf der Krim vernichtet.

Orab sagte, er schätze Selenskyjs Bemühungen auf der Friedenskonferenz in der Schweiz im Mai sowie das Ziel eines zweiten Gipfels noch in diesem Jahr. Er habe ihn aber gebeten, stattdessen über eine befristete Waffenruhe nachzudenken. Sie böte die Chance, Friedensgespräche zu beschleunigen. "Ich habe diese Möglichkeit mit dem Präsidenten erörtert und bin dankbar für seine ehrlichen Antworten und seine Verhandlungen."

Selenskyj, der seine Stellungnahme vor Orban abgegeben hatte, ging auf dessen Bemerkungen nicht ein. Er sprach von der Möglichkeit einer umfassenden Kooperationsvereinbarung zwischen der Ukraine und Ungarn. Der Dialog an diesem Dienstag könne die Grundlage dafür werden. Orban erklärte, Ungarn würde gern bei der Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft helfen. Auf Facebook hatte er nach seiner Ankunft in Kiew geschrieben, das Ziel der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft sei es, zur Lösung der vor der EU liegenden Herausforderungen beizutragen. "Deshalb führte meine erste Reise nach Kiew."

Unter den Staats- und Regierungschefs der EU, die Russland wegen seines Angriffskrieges mit Sanktionen belegt hat, ist Orban derjenige, der Putin am nächsten steht. Vergangene Woche hatte die EU formell Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufgenommen - kurz vor der turnusgemäßen Übernahme der Ratspräsidentschaft durch Ungarn. Bis zu einem EU-Beitritt dürfte es noch etliche Jahre dauern, aber der Beginn des Prozesses gibt der Ukraine und ihrer Führung einen Schub. Zugleich bittet die Regierung in Kiew ihre Verbündeten um dringend benötigte Munition, Kampfjets und Flugabwehrsysteme.

RUSSISCHER ANGRIFF AUF LUFTWAFFENSTÜTZPUNKT MYRHOROD

Kurz vor der erwarteten Ankunft der ersten Kampfjets vom US-Typ F-16 greifen die russischen Streitkräfte verstärkt Flugplätze in der Ukraine an. Am Dienstag teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit, die Basis Myrhorod in der zentralukrainischen Region Poltawa sei beschossen worden. Fünf SU-27-Kampfjets seien zerstört und zwei weitere beschädigt worden. Die ukrainische Luftwaffe bestätigte am Montagabend den Angriff auf Myrhorod. Es habe einige Verluste gegeben, die Angaben des Feindes seien aber wie immer übertrieben.

Es ist nicht öffentlich bekannt, wo die F-16 stationiert werden sollen. Ihr Einsatz - so hofft die Führung in Kiew - würde die Lufthoheit des russischen Militärs ausgleichen. Sie könnten auch russische Gleitbomben zerstören, die auf ukrainischem Gebiet verheerende Schäden anrichten und zu zahlreichen Opfern unter der Zivilbevölkerung führen.

Russland hat erklärt, seine Streitkräfte würden F-16-Kampfjets in der Ukraine umgehend zerstören. Nach dem Angriff am Donnerstag auf Starokostjantyniw in der Region Chmelnyzkyj im Westen der Ukraine, erklärte die Führung in Moskau, das Militär habe Flugplätze ins Visier genommen, auf denen vermutlich die F-16 stationiert würden. Ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe sagte, die Angriffe brächten "gewisse Schwierigkeiten" mit sich, würden aber weder die Lieferung von F-16 noch deren Einsatz im Kampf beeinträchtigen.

(Bericht von: Anita Komuves, Dan Peleschuk, Reuters-Büros in Kiew und Moskau; geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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