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05.07.2024 /13:52:44
Wirtschaft hält Ampel-Wachstumspaket für "gut, aber noch nicht gut genug"

Berlin, 05. Jul (Reuters) - Das Wachstumspaket der Ampel-Koalition geht nach Einschätzung von Vertretern der Wirtschaftslobby in die richtige Richtung, greift aber letztlich zu kurz. "Die Wachstumsinitiative ist gut, aber noch nicht gut genug, um aus der Krise zu kommen", sagte etwa der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, am Freitag. Der Handwerksverband (ZDH) sprach zwar von einem positiven Signal. "Doch es ist nicht der so notwendige und von den Handwerksbetrieben erhoffte Dynamisierungs-Booster", betonte ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erklärte, er freue sich über "das Lebenszeichen der Koalition und das Bemühen um die Verbesserung des Wirtschaftsstandortes". Die Vorlage des Pakets mit Beginn der Ferienzeit spreche aber nicht für ein srasche Umsetzen. Die Regierung müsse schnell handeln. "Eine Sommerpause wird zum Wachstumshemmnis."

Nach monatelangen zähen Verhandlungen haben sich die Spitzen der Ampel-Koalition auf einen Haushaltsentwurf für 2025 sowie ein Paket zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland geeinigt. Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner (FDP) erläuterten die Plänen, mit denen die deutsche Wirtschaft fit für die Zukunft gemacht werden soll. Im Fokus stehen etwa Anreize für mehr Beschäftigung, bessere Abschreibungsbedingungen und weniger Bürokratie.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hofft, dass die Entlastungen nun so schnell wie möglich bei den Betrieben auch ankommen. Mit Blick auf die Energie griffen die Beschlüsse der Ampel aber zu kurz, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. "Die Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft bei den Energiepreisen bleiben daher eine große Investitionsbremse."

"ENTLASTUNGEN MÜSSTEN DEUTLICH HÖHER AUSFALLEN"

BGA-Chef Jandura räumte ein, dass die Ausweitung der degressiven AfA rund um Abschreibungen und die Entlastung bei der kalten Progression gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine enorme Hilfe seien. "Die Entlastungen müssten angesichts der strukturellen wirtschaftlichen Krise aber deutlich höher ausfallen." Das Paket enthält laut Handwerksverband eine Reihe guter Einzelakzente. "Doch dürften diese nicht ausreichen, um eine echte Gesamtdynamik auszulösen."

Der Lobbyverband der Beteiligungsbranche (BVK) begrüßte derweil, dass die Koalition die Rahmenbedingungen für Wagniskapitalinvestitionen verbessern will. Es sei wichtig Deutschland international wettbewerbsfähig zu halten und privates Kapital zu mobilisieren, sagte Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des BVK.

DIW - RESTRIKTIVE FINANZPOLITIK GROSSE BREMSE FÜR ERHOLUNG

Auch bei Ökonomen gab es Lob und Kritik. DIW-Präsident Marcel Fratzscher warnte, der Entwurf des Bundeshaushalts 2025 biete viel politischen Sprengstoff. Der Etat zeichne ein falsches Bild, indem er Kürzungen bei den Sozialausgaben als hohe Priorität darstelle. "Im neuen Bundeshaushalt fehlen Kürzungen klimaschädlicher Subventionen, die in Deutschland über 60 Milliarden Euro im Jahr ausmachen, wie auch ein Abbau anderer Steuerprivilegien, um wirtschaftlichen Wettbewerb zu stärken und eine faire Lastenverteilung sicherzustellen", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Die restriktive Finanzpolitik der Bundesregierung ist mit die größte Bremse für die wirtschaftliche Erholung und daher ein schwerwiegender politischer Fehler."

Die Wachstumsinitiative enthalte viele gute Elemente und es sei gelungen, schädliche Einschnitte beim Sozialstaat zu vermeiden, sagte Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Der Chefvolkswirt der DZ Bank, Michael Holstein, kritisierte, dass sich die Koalition nicht zu einer echten Prioritätensetzung durchringen konnte. "Diese wäre für grundlegende Reformen, die das Land braucht, aber unabdingbar." Die oft zitierte "Zeitenwende" spiegle sich nicht in einer nachhaltigen und kräftigen Erhöhung der Verteidigungsausgaben wider. "Auch die Stimulierung des schwachen Wachstums durch Entlastung der Unternehmen bei Steuern und Bürokratie bleibt erst einmal nur ein Hoffnungswert."

(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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