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04.07.2024 /08:47:13
SPOTANALYSE-Ökonomen zum Auftragsminus der deutschen Industrie

Berlin, 04. Jul (Reuters) - Die Durststrecke der deutschen Industrie setzt sich mit dem fünften Auftragsminus in Folge fort. Die Bestellungen sanken im Mai um 1,6 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hingegen hatten mit einem Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet. Die Daten signalisierten zunächst eine eher verhaltene Industriekonjunktur in den kommenden Monaten, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung. "Erst im Zuge der weiteren Erholung des Welthandels und der allmählichen Belebung der Nachfrage nach Industrieerzeugnissen dürften sich die Auftragseingänge stabilisieren."

Analysten sagten dazu in ersten Reaktionen:
 
RALPH SOLVEEN, ÖKONOM COMMERZBANK:
 
"Diese schwachen Zahlen zu den Auftragseingängen folgen
auf enttäuschende Stimmungsindikatoren. Das Ifo-Geschäftsklima
ist im Mai leicht und im Juni schon etwas deutlicher gefallen,
und auch bei den Einkaufsmanagerindizes gab es im Juni spürbare
Rücksetzer. Noch ist es gut möglich, dass diese schwächeren
Zahlen nur die üblichen Schwankungen in einer Aufwärtsbewegung
sind. Dafür müsste aber die nächste Runde an Zahlen bei den
Stimmungsindikatoren und den Auftragseingängen wieder besser
ausfallen.
 
Wir halten es weiter für das wahrscheinlichere Szenario,
dass sich die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte
erholen wird. Denn die Belastungen vonseiten der Energiepreise
und der Zinserhöhungen der Notenbanken nehmen allmählich ab.
Allerdings stützen die heutigen Zahlen unsere Erwartung, dass
diese Erholung ? anders als von vielen erwartet ? im zweiten
Quartal noch nicht eingesetzt hat und diese auch eher moderat
ausfallen wird. Und das Risiko nimmt zu, dass der Start der
Erholung sich noch weiter verzögern wird."
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

"Auch die deutschen Schlüsselindustrien wie etwa die Maschinenbauer blicken auf dürftige Bestellungen im bisherigen Jahresverlauf. Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer VDMA berichtete von einem deutlichen Rückgang der Bestellungen um reale 27 Prozent im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat. Selbst im weniger schwankungsanfälligen Drei-Monats-Zeitraum März bis Mai lagen die Bestellungen bei den Maschinen- und Anlagenbauern um 13 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Der schwache Auftragseingang spiegelt die derzeit schwierige Situation in der globalen Industrie wider. In den USA ist der viel beachtete ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe schwach. Und auch in China bleibt die Industrie angeschlagen. Eine deutliche Verbesserung zeichnet sich kurzfristig nicht ab. Gerade deshalb wird sich die Auftragssituation nicht deutlich verbessern. Damit wird das deutsche Wachstum nicht auf Touren kommen."

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:

"Der Abwärtstrend ist noch immer in vollem Gang. Für das abgelaufene Quartal zeichnet sich ein klares Auftragsminus ab. Die Industrieunternehmen geraten damit noch mehr unter Druck. Mit Blick auf wichtige Stimmungsindikatoren ist Besserung nicht in Sicht. Kapazitäten dürften deshalb weiter verringert werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Weltwirtschaft ein noch weiteres Abrutschen abmildert."



(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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