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05.07.2024 /10:31:28
TOP-THEMA-Durchbruch beim Haushalt - Ampel will zudem Standort stärken

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Kabinett soll Haushaltsentwurf am 17. Juli zustimmen



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Scholz, Habeck und Lindner stellen Beschlüsse gemeinsam vor



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Schuldenbremse bleibt 2025 unangetastet

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Grüne sehen schwierige Etatgespräche im Parlament
 
(neu: Details, Reaktionen SPD, Grüne, FDP, Opposition)
- von Andreas Rinke und Christian Krämer
Berlin, 05. Jul (Reuters) - Nach monatelangen zähen
Verhandlungen haben sich die Ampel-Spitzen auf einen
Haushaltsentwurf für 2025 sowie ein Paket zur Stärkung des
Wirtschaftsstandorts Deutschland geeinigt. Kanzler Olaf Scholz
sagte nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus
Teilnehmerkreisen in der SPD-Bundestagsfraktion, dass der
Haushaltentwurf nun am 17. Juli im Kabinett beschlossen und im
August dem Bundestag zugeleitet werden solle. Die Schuldenbremse
soll im Wahljahr 2025 eingehalten werden. Auch in der
mittelfristigen Finanzplanung bis 2028 ist dies vorgesehen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, dass eine "Menge
Kunstgriffe" notwendig gewesen seien, um einen
Überschreitungsbeschluss laut Schuldenbremse zu vermeiden. Die
Grünen sprachen von "schwierigen" anstehenden
Haushaltsverhandlungen im Bundestag. Die FDP äußerte
Zufriedenheit, die Union übte dagegen deutliche Kritik.

Scholz (SPD), Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten bis zum frühen Morgen an dem Paket gefeilt. Sie wollen die Beschlüsse noch am Vormittag öffentlich vorstellen, nachdem zunächst die Fraktionen informiert wurden. Der Kanzler betonte in der SPD-Fraktionssitzung nach Teilnehmerangaben, dass er darauf gedrungen habe, die Beratungen in dieser Sitzungswoche des Parlaments abzuschließen.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr zeigte sich zufrieden, dass die Schuldenbremse nicht angetastet wird. Innerhalb der Ampel-Koalition hatten sich Vertreter der SPD und der Grünen immer wieder dafür eingesetzt, wegen einer Notlage erneut von der im Grundgesetz verankerten Schuldenregel abzuweichen, um mehr Geld für Investitionen zu haben. Neben Einsparungen in den Ressorts sollen die Finanzlücken im Etatansatz 2025 nun auch dadurch geschlossen worden sein, dass optimistischere Annahmen für Wachstum und Zinsentwicklung verwendet wurden, hieß es in Regierungskreisen. Zudem wurden globale Minderausgaben für die Ressortetats 2025 verhängt, also pauschale Kürzungen.

SPD-FRAKTIONSCHEF MÜTZENICH KRITISIERT FDP

SPD-Fraktionschef Mützenich kritisierte die FDP dafür, dass sie aus der Schuldenbremse eine Dogma gemacht habe. "Wir wollten nicht die Schuldenbremse aussetzen, sondern wir wollten genau ein Instrument, was die Schuldenbremse bereithält für Zeiten, die nicht normal sind. Und die Zeiten sind nicht normal." Die SPD-Fraktion nehme sich vor, in den parlamentarischen Beratungen notfalls auf die Erklärung einer Notlage zurückzukommen.

Die Grünen lobten eine deutliche Stärkung von Familien und Kindern. "Alle Kinder in diesem Land werden mehr Leistungen bekommen und wir werden in Kita-Finanzierung auf sichere Füße stellen", sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. Für armutsgefährdete Kinder und Familien sei rund eine Milliarde Euro mehr vorgesehen, hieß es in einem Überblickspapier der Ampel. "Der Sofortzuschlag für arme Kinder im Bürgergeld, das Kindergeld und der Kinderfreibetrag steigen um je fünf Euro pro Monat." Dafür seien zusammen 1,8 Milliarden Euro eingeplant. Jeweils zwei Milliarden Euro sollen 2025 und 2026 in Maßnahmen für bessere Kitas fließen. Mit diesen Mitteln will der Bund die Länder unterstützen.

PAKET SOLL WACHSTUMSSCHUB BRINGEN

In dem gleichzeitig beschlossenen Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft, das Scholz "Wachstumsturbo" genannt hat, ist unter anderem eine beschleunigte Abschreibung von Investitionen und eine bessere Forschungszulage vorgesehen. Für gewerblich genutzte E-Autos soll es eine Sonderabschreibung geben. Zudem will die Regierung einen Anreiz für längere Arbeit geben, indem Beschäftigen, die bereits Rente beziehen, Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung in Zukunft direkt als Lohn ausgezahlt werden sollen. Auch weitere Schritt zum Bürokratieabbau sind geplant. "Das Paket kann im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen, das sind 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung", hieß es in einem Ampel-Papier.

Beschlossen wurde zudem ein Nachtragshaushalt 2024, um zusätzliche Bedarfe im Klima- und Transformationsfonds (KTF) abzudecken. Dort sind wichtige Fördermittel für die Dekarbonisierung von Unternehmen und Privathaushalten gebündelt.

ERLEICHTERUNG IN DER AMPEL - KRITIK DER UNION

Vor allem die SPD hatte auf eine Einigung vor der parlamentarischen Sommerpause gepocht. Unterschiedliche Flügel der Fraktion äußerten sich am Freitag positiv zu den Beschlüssen. "Die Einigung zeigt, dass diese Koalition handlungsfähig ist und sich der Verantwortung für das Land stellt", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Dirk Wiese. "Zentral bleibt, dass keine Gruppen gegeneinander ausgespielt werden und in die Zukunft investiert werden kann", betonte auch der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, gegenüber Reuters.

Andere Ampel-Parlamentarier sprachen davon, dass die Einigung angesichts der unterschiedlichen Grundpositionen von SPD, Grünen und FDP "ein Wert an sich sei". Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hatte auf die Verantwortung der Regierung verwiesen. "Angesichts der Weltlage wäre es unverantwortlich, die Koalition platzen zu lassen", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestages.

Von den Oppositionsparteien CDU und CSU kam deutliche Kritik. "Die Ampel trickst sich in das nächste Haushalts-Chaos", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. "Scholz, Habeck und Lindner versuchen, mit ungedeckten Schecks in die Verlängerung zu stolpern." Auch vom Unions-Haushälter Christian Haase kam Kritik: "Es scheinen eher halbherzige bis gar keine Lösungen das Ergebnis zu sein - etwa bei der Migration, der Bundeswehr oder dem Bürgergeld", sagte der CDU-Politiker.

(Mitarbeit Alexander Ratz, Markus Wacket, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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