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02.10.2024 /08:00:00
STICHWORT-Die vom Iran angeführte Achse des Widerstands

02. Okt (Reuters) -

Seit einem Jahr führt Israel einen erbitterten Krieg gegen die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen. Ihr Angriff auf den Süden Israels, bei dem 1200 Menschen getötet und rund 250 Geiseln verschleppt wurden, jährt sich am 7. Oktober. Nun ist das israelische Militär auch in den Süden des Libanons einmarschiert, um dort die schiitische Hisbollah-Miliz zu bekämpfen, die immer wieder Ziele in Israel angreift. Hamas und Hisbollah sind Teil der sogenannten Achse des Widerstandes, die vom Iran geführt wird. Ihr gehören auch die Huthi-Rebellen im Jemen sowie militante Gruppen im Irak und in Syrien an.

Hauptarchitekt des iranischen Netzwerks aus paramilitärischen Stellvertretergruppen in der arabischen Welt war der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Kassem Soleimani. Unter Soleimanis Führung wuchs das Netz in den Jahren nach der US-Invasion im Irak im Jahr 2003. Soleimani wurde 2020 bei einem US-Drohnenangriff im Irak getötet. Der Iran bestreitet, dass er seine Stellvertreter bei ihren Angriffen lenkt, sondern er erklärt, dass sie auf eigene Initiative handeln. Der Iran bewaffnet und bildet Gruppen aus, die in den folgenden Bereichen aktiv sind:

GAZASTREIFEN:

Der Iran steht an der Seite der palästinensischen islamistischen Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad. Er positioniert sich als Verfechter des palästinensischen Widerstands gegen die israelische Besatzung. Die Hamas, die im Gazastreifen seit 2006 regiert, griff vor einem Jahr Israel an, das mit einem massiven Vergeltungsangriff reagiert und sich zum Ziel gesetzt hat, die Palästinenser-Organisation zu beseitigen.

Den politischen Anführer der Hamas, Ismael Hanijeh, hat Israel nach Angaben der Organisation Ende Juli 2024 gezielt getötet. Er hielt sich in der iranischen Hauptstadt Teheran auf und war Gast bei der Vereidigung des neuen Präsidenten Mussad Peseschkian. Dieser drohte mit Vergeltung, und auch die Verbündeten der Hamas drückten ihre Solidarität aus. Ein Vergeltungsschlag des Irans ist bislang ausgeblieben.

IRAK:

Die Führung in Teheran unterstützte schiitische Militante im Irak während der US-Besatzung und hat diese Verbindungen aufrechterhalten. Die 150.000 Mann starken Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine staatlich sanktionierte Gruppierung irakischer Paramilitärs, werden von schwer bewaffneten und kampferprobten Gruppen dominiert, die dem Iran gegenüber loyal sind und enge Verbindungen zu seinen Revolutionsgarden haben. PMF-Gruppen haben bei Dutzenden Angriffen im Irak und in Syrien US-Stützpunkte mit Raketen beschossen. Die USA reagierten mit Luftangriffen, darunter einem Angriff, bei dem ein Kommandant in Bagdad getötet wurde.

SYRIEN:

Syrien ist eine wichtige Transitroute für iranische Stellvertreter zwischen dem Irak und dem Libanon. Nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 intervenierte der Iran, um Präsident Baschar al-Assad zu stützen, und entsandte Gardeberater und Kämpfer aus dem Irak, Pakistan und Afghanistan. Die libanesische Hisbollah kämpfte an der Seite dieser Gruppen und unterstützte Assad. Sie sind weiterhin in ganz Syrien im Einsatz.

LIBANON:

Die Hisbollah ist Teherans treuester militanter Verbündeter. Sie wurde 1982 von der iranischen Revolutionsgarde gegründet, um israelische Truppen im Libanon zu bekämpfen. Sie verfügt über ein Arsenal von Zehntausenden Raketen und hoch qualifizierten Kämpfern, die jahrelang in Syrien gegen sunnitische Islamisten gekämpft haben. Die Hisbollah und israelische Truppen lieferten sich immer wieder Scharmützel an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel.

Der gegenseitige Beschuss wurde in jüngerer Zeit erheblich verstärkt. Das israelische Militär hat gezielt Kommandeure der Hisbollah auf libanesischem Boden getötet, zuletzt Ende September 2024 ihren Generalsekretär Hassan Nasrallah. Auch hier drohte der Iran mit Vergeltung für den Tod des wichtigen Verbündeten - auch sie ist bislang ausgeblieben. In der Nacht zum 1. Oktober 2024 rückte das israelische Militär auch mit Bodentruppen in den Süden des Libanons ein. Vielfach wird eine weitere Eskalation und eine Destabilisierung des Libanons befürchtet, in dem die Hisbollah eine wichtige Größe ist.

JEMEN:

Die Huthi-Miliz im Jemen eroberte 2014 weite Teile des Landes und kämpfte gegen von Saudi-Arabien unterstützte Regierungstruppen. Der Iran half den Huthi im Kampf gegen seinen Erzrivalen Saudi-Arabien. Die Huthi ? oder Ansar Allah, so der offizielle Name der Gruppe ? feuern Raketen auf Israel sowie auf Handelsschiffe und Öltanker im Roten Meer, die sie in Verbindung mit Israel bringen. Die USA und Großbritannien haben Huthi-Ziele im Jemen angegriffen. Auch Israel griff Stellungen der Huthi im Jemen mit Kampfflugzeugen an.

Die Huthi haben sich solidarisch mit der Hamas im Gazastreifen erklärt. Sie, die Hisbollah und andere Gruppen haben erklärt, dass ihre Angriffe erst dann eingestellt werden, wenn Israel den Krieg gegen die Palästinenser beendet.

VERFOLGEN ALLE VERBÜNDETEN DIESELBEN ZIELE?

Der Iran und seine Verbündeten haben das gemeinsame Ziel, die israelische Bombardierung des Gazastreifens zu stoppen und die US-Truppen ein für alle Mal aus der Region zu vertreiben. Darüber hinaus haben sie ihre eigenen lokalen Interessen.

Die Hisbollah ist die mächtigste Gruppe im Libanon, dessen Wirtschaft sich im freien Fall befindet. Sie versuchte lange, eine weitere Eskalation des Konflikts oder intensive Militäraktionen Israels zu vermeiden, die ihre Position im eigenen Land gefährden könnten. Nicht zuletzt durch den Tod Nasrallahs und weiterer Kommandeure ist sie allerdings massiv geschwächt. Israel hat zudem nach eigenen Angaben zahlreiche Raketenstellungen und Waffenlager der Miliz zerstört. Wie sich die Lage nach Beginn der israelischen Bodenoffensive entwickelt, ist nicht absehbar.

Die Huthi versuchen Analysten zufolge, die Kontrolle im Jemen zu behalten und haben den jüngsten Krieg als Mittel genutzt, um ihre militärische Stärke und regionale Bedeutung zu behaupten. Das genaue Ausmaß der Kontrolle des Irans über die Aktionen ist unklar.

Die PMF im Irak haben sich dadurch bereichert, dass sie weite Teile des Staates und der Wirtschaft beherrschen. Gruppen, die dem Iran gegenüber loyaler sind, befolgen die Befehle Teherans, andere streben nach Geld und Macht und gehen davon aus, dass ein regionaler Flächenbrand ihre Dominanz im Irak zunichtemachen könnte, sagen einige Experten.

Einem Bericht von Reuters zufolge überraschte die Hamas den Iran und andere Mitglieder der Achse des Widerstands mit ihrem Angriff am 7. Oktober 2023. Sie strebt ein Ende der israelischen Besatzung an und möchte sicherstellen, dass die Palästinenserfrage nicht vergessen wird, während Israel engere Beziehungen zu den arabischen Golfstaaten aufbaut.

(von Sabine Ehrhardt, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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