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14.10.2024 /06:20:10
WDH-INTERVIEW-Albanien will für Deutschland keine Asylverfahren durchführen

(Wiederholung vom Abend)

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Albaniens Ministerpräsident kritisiert fehlende EU-Geschlossenheit



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Rama empfiehlt Westbalkan-Ländern für externe Asylverfahren



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Flüchtlingspolitik werde in EU-Mitgliedstaaten instrumentalisiert





- von Andreas Rinke
Berlin, 14. Okt (Reuters) - Albanien will für
Deutschland keine Asylverfahren von Flüchtlingen in
Auffanglagern durchführen. Das hat Albaniens Ministerpräsident
Edi Rama am Sonntag in einem Reuters-TV-Interview angekündigt.
"Es muss einen anderen Partner finden", betonte Rama, der am
Montag an der Westbalkan-Konferenz in Berlin teilnimmt. "Wenn
Deutschland einen anderen Partner in der Region findet, wäre es
schön zu sehen, ob das auf die gleiche Weise funktioniert",
fügte er in Anspielung auf die beiden neuen albanischen
Auffanglager hinzu, in denen Asylverfahren für Italien
durchgeführt werden.

Die Einrichtungen begannen vergangenen Freitag ihre Arbeit und können bis zu 3000 Flüchtlinge aufnehmen. Rund 500 italienische Polizisten und Soldaten werden in den beiden Lagern eingesetzt. Nur anerkannte Asylbewerber sollen dann in das EU-Land Italien einreisen dürfen. Die Einrichtungen sind Modell für die Forderungen in einigen EU-Ländern, dass Asylverfahren künftig generell außerhalb der EU stattfinden sollten. Großbritannien hat ähnliche Pläne mit dem afrikanischen Land Ruanda mittlerweile wieder verworfen. In Deutschland verlangt vor allem die oppositionelle Union solche Verfahren außerhalb der EU.

Rama äußerte sich zurückhaltend auf die Frage, ob sein Land als Modell anzusehen sei. "Modelle müssen getestet werden", sagte er. Seine Regierung habe das Abkommen mit Italien geschlossen, weil beide Länder geografisch bedingt sehr enge Verbindungen hätten. Beide hätten es zudem zusammen geschafft, einerseits die irreguläre Migration zu stoppen, andererseits aber Wege für die reguläre Arbeitsaufnahme auch von Albanern in Italien zu öffnen.

Zugleich pries er die sechs Westbalkan-Staaten und EU-Beitrittsaspiranten als ideale Länder für externe Asylprüfungen an. Sie seien von EU-Staaten umgeben, gleichzeitig würden dort aber nicht die EU-Gesetze gelten. "Das ist ein Vorteil", sagte Rama. Nun müsse man sehen, wie man dies "kreativ" nutzen könne. Wichtig sei dabei aber, dass es nicht darum gehen könne, allein Vereinbarungen zwischen zwei Ländern zu schließen, sagte Rama. Er habe einen solchen Vorschlag schon 2015 der früheren Kanzlerin Angela Merkel gemacht.

Rama warf den EU-Ländern vor, dass sie bisher allerdings zu keiner gemeinsamen Flüchtlingspolitik bereit seien. Stattdessen werde in den einzelnen Ländern Angst vor Flüchtlingen geschürt, um mehr Wählerstimmen zu bekommen. Es werde die Spaltung zwischen Weißen und Schwarzen, Muslimen und Christen vorangetrieben. Dies sei sehr schädlich für Europa. Es werde teilweise ein Kulturkrieg angeheizt, was "verheerend" für Europa sei. Er erinnerte daran, dass Länder wie Deutschland gleichzeitig Arbeitskräfte brauchten. Europa müsse sich mit dem Phänomen Flüchtlinge auseinandersetzen, schon weil dieses nicht mehr weggehen werde.

(Bericht von Fatos Bytyci, geschrieben von Andreas Rinke; redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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