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04.07.2025 /08:30:15
SPOTANALYSE-Ökonomen zum Auftragsminus der deutschen Industrie

Berlin, 04. Jul (Reuters) - Rückschlag für die zuletzt im Aufwind befindliche deutsche Industrie: Ihre Aufträge sind im Mai wegen der sinkenden Nachfrage aus dem Inland überraschend stark gefallen. Sie schrumpften um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang von 0,1 Prozent gerechnet. In ersten Reaktionen hieß es dazu:

CYRUS DE LA RUBIA, CHEFVOLKSWIRT HAMBURG COMMERCIAL
BANK:
 
"Die Schwäche bei den Inlandsaufträgen ist für sich
gesehen etwas ernüchternd, zeigt sich hier doch die Fragilität
der zaghaften Erholung, die man zuletzt sehen konnte.
Möglicherweise wird diese Schwäche schon bald durchbrochen
werden, wenn der Investitionsbooster bzw. beschleunigte
Abschreibungsregeln Investitionen attraktiver machen.
Gleichzeitig mag es sein, dass einige Unternehmen ihre
Investitionen noch vor sich herschieben, damit ihnen die
angekündigten Steuervorteile nicht verloren gehen.
 
Die Nachfrage aus dem Ausland außerhalb der Euro-Zone
spielt weiterhin eine große Rolle für die deutsche Industrie. Um
so aufmerksamer werden die Unternehmen auf die Entwicklung des
Euro schauen, dessen Aufwertung perspektivisch die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exporte beeinträchtigt. Hier
ist, wenn der Euro noch weiter an Stärke gewinnt, eher mit einer
Verlangsamung bei den Auftragseingängen zu rechnen."
 
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
 
"Es wäre wohl zu schön gewesen, hätten die
Auftragseingänge ohne die volatilen Großaufträge zum dritten Mal
in Folge zugelegt. Wir hatten damit gerechnet. Somit müssen wir
uns aber damit abfinden, dass im gegenwärtigen Umfeld eine
Erholung im verarbeitenden Gewerbe nicht so einfach zu haben
ist. Zwar zeigt der Dreimonatsvergleich bei den
Auftragseingängen noch immer das Bild einer Erholung an, doch
der deutliche Rückgang der Neubestellungen im Mai fängt jegliche
konjunkturelle Euphorie wieder ein. Die sachte begonnene
Erholung im verarbeitenden Gewerbe wird wohl holprig verlaufen."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE

PRIVATBANK:

"Das ist ein Rückschlag für bestehende Konjunkturhoffnungen. Die Auftragslage ist lax, sie bleibt aber klar besser als vor einem Jahr. Die Stabilisierungstendenzen in der Industrie sind deshalb nicht abzuschreiben. Großaufträge haben das Ergebnis dieses Mal noch halbwegs gerettet. Das weitere Vorwärtskommen wird stark davon abhängen, ob es Zoll-Deals gibt."

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

"Eine leichte Enttäuschung, die man aber nicht überbewerten sollte. Zuletzt waren die Zahlen aus der Industrie durchaus ansprechend, so dass auch mal der eine oder andere Rücksetzer zu verkraften ist. Insgesamt spricht die Mehrheit der Indikatoren derzeit für eine gewisse Stabilisierung der Konjunktur. Über allem schwebt aber weiterhin das Damoklesschwert der US-Zollpolitik. Kommende Woche werden wir diesbezüglich klüger sein."

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Reinhard Becker. - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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