Boston, 21. Jan (Reuters) - Der neue US-Präsident Donald Trump hat am Montag per Dekret ein von seinem Vorgänger Joe Biden verhängtes Verbot für die Förderung neuer Öl- und Gasvorkommen auf hoher See aufgehoben. Diese Entscheidung wird sicherlich Klagen von Umweltverbänden nach sich ziehen, denn es ist rechtlich ungeklärt, ob der Widerruf Bestand hat.
Biden nutzte am 6. Januar seine Befugnisse im Rahmen des 70 Jahre alten Outer Continental Shelf Lands Act (OCSLA), um alle Bundesgewässer vor der Ost- und Westküste, dem östlichen Golf von Mexiko und Teilen der nördlichen Beringsee in Alaska von Öl- und Gasbohrungen auszuschließen. Biden erklärte, der Schritt stehe im Einklang mit seinen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels. "Bohrungen vor diesen Küsten könnten irreversible Schäden an Orten verursachen, die uns am Herzen liegen, und sind unnötig, um den Energiebedarf unseres Landes zu decken."
Trump hatte dagegen im Wahlkampf versprochen, die Öl- und Gasförderung auszuweiten. Am Montag, dem Tag seiner Amtseinführung, hob er das Offshore-Bohrverbot auf. Trump widerrief auch eine frühere Maßnahme Bidens vom März 2023, die Öl- und Gasbohrungen in der Arktis einschränkte.
Rechtsexperten zufolge ist die Frage rechtlich ungeklärt, ob ein Präsident die OCSLA-Entscheidung seines Vorgängers revidieren darf. Während das Gesetz dem Präsidenten ausdrücklich die Befugnis einräumt, Verpachtungen von Gebieten zurückzuziehen, schweigt sich das OCSLA von 1953 darüber aus, ob frühere Entscheidungen widerrufen werden können. Die Frage wurde bereits vor Gericht behandelt - während Trumps erster Amtszeit.
Umweltgruppen klagten, nachdem Trump im April 2017 eine Entscheidung des demokratischen Ex-Präsidenten Barack Obama widerrufen hatte. Obama hatte verboten, die arktische Tschuktschensee, einen Teil der arktischen Beaufortsee sowie einen großen Streifen des Atlantiks vor der US-Ostküste für Ölpachtverträge zu nutzen.
2019 entschied die US-Bezirksrichterin Sharon Gleason in Anchorage, dass Trumps Anordnung zum Widerruf der Entscheidung Obamas rechtswidrig gewesen sei. "Hätte der Kongress beabsichtigt, dem Präsidenten die Befugnis zur Aufhebung zu erteilen, hätte er dies ausdrücklich tun können", schrieb sie zur Begründung. Gleason, eine von Obama ernannte Richterin, erklärte, das OSCLA räume nur dem Kongress die Befugnis ein, Entscheidungen aufzuheben.
Trumps Regierung hatte sich bei der Verteidigung seiner Anordnung auf die Formulierung im OCSLA berufen, wonach ein Präsident "von Zeit zu Zeit" unverpachtete Ländereien zurückziehen könne, und erklärt, dies bedeute die Befugnis, frühere Entscheidungen zu revidieren.
Bevor das in San Francisco ansässige 9. US-Berufungsgericht über die Revision der Trump-Regierung entscheiden konnte, trat Biden sein Amt an und widerrief Trumps Anordnung an seinem ersten Tag, wodurch der Fall hinfällig wurde.
Trumps Dekret, Bidens Maßnahme rückgängig zu machen, wird wahrscheinlich eine neue Klage von Umweltschützern nach sich ziehen und möglicherweise die Frage klären, ob ein Präsident Entscheidungen zum OCSLA widerrufen kann. Bidens Anordnung selbst wird jedoch bereits in zwei getrennten Klagen vor Gericht angefochten, darunter eine von fünf republikanischen Generalstaatsanwälten und zwei Branchenverbänden ? dem American Petroleum Institute und der Gulf Energy Alliance ? sowie eine weitere vom republikanischen Generalstaatsanwalt von Texas, Ken Paxton, sowie dem Öl- und Erdgasproduzenten W&T Offshore <WTI.N>.
(Bericht von Nate Raymond in Boston, geschrieben von Anneli Palmen, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)