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17.09.2024 /16:08:58
FOKUS 2-Ökonomen - Intel-Geld für investitionsfreundliche Steuerreform nutzen

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Schularick: Steuergutschriften sind eine Möglichkeit

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IWH-Chef Gropp: Mehr Geld für F&E und Infrastruktur

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ZEW-Experte: Steuerzahler können jetzt nur dankbar sein

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"Begeisterung für Subvention von Chipfabriken war uferlos"
 
(neu: mit IWH-Präsident, DIW-Experte)
Berlin, 17. Sep (Reuters) - Angesichts der Verzögerung
des geplanten Baus der Intel-Chipfabrik in Magdeburg fordern
Ökonomen die Umwidmung der Subventionsmilliarden für eine
Steuerreform. "Makroökonomisch wäre es in der jetzigen Lage
richtig, die Mittel für zusätzliche Investitionen oder
Investitionsanreize, etwa über Steuergutschriften, zu
verwenden", sagte der Präsident des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, am Dienstag der
Nachrichtenagentur Reuters. Der Präsident des IWH aus Halle,
Reint Gropp, plädierte dafür, mehr Mittel in
Forschung&Entwicklung sowie Infrastruktur zu stecken. Bürokratie
abzubauen und Verfahren zu beschleunigen, würde für alle
Unternehmen die Rahmenbedingungen verbessern. "Es wäre schön,
wenn man dafür Geld ausgeben würde", sagte Gropp zu Reuters.
Dies sei sinnvoller als große Subventionen für einzelne Firmen.

Ähnlich äußerte sich der Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann. Dem Industriestandort sei viel mehr gedient, wenn sich das Umfeld für alle Unternehmen inklusive kleiner und mittelständischer verbessere. "Daher sollten die eingesparten Intel-Milliarden nicht für neue industriepolitische Fantasien ausgegeben werden", sagte Heinemann. "Viel besser angelegt wäre das Geld als Grundstock für eine investitionsfreundliche Steuerreform, von der alle Unternehmen profitieren, auch die soliden, die nicht im kurzatmigen Licht der politischen Aufmerksamkeit stehen." Das spreche dafür, das Geld in den allgemeinen Haushalt zu geben - aber nicht um Löcher zu stopfen, sondern um dort eine echte Wachstumspolitik zu finanzieren.

"KURZATMIG AUF TREND GESPRUNGEN"

Intel <INTC.O> verschiebt aufgrund seines Sparprogramms den geplanten Bau der Chipfabrik in Magdeburg, die der Bund mit zehn Milliarden Euro fördern wollte. Das Projekt werde sich voraussichtlich um etwa zwei Jahre verzögern, hatte der kriselnde US-Konzern am Montagabend mitgeteilt. Nun streitet die Ampel-Regierung über die frei werdenden Gelder. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die zunächst nicht benötigten Subventionen nutzen, um die Löcher im Haushalt zu stopfen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will genau dies verhindern und die Mittel im Klimafonds KTF halten.

Derweil wird Kritik an der Subventionspolitik laut. "Intels Teilrückzug zeigt, wie problematisch eine Industriepolitik ist, die kurzatmig auf bestimmte Trends springt", sagte ZEW-Experte Heinemann. "Die Begeisterung für die Subvention von Chipfabriken war in der Zeit des akuten Chipmangels unmittelbar nach der Pandemie uferlos." Schon zwei Jahre später sei dieser Trend Geschichte. "Die Steuerzahler können jetzt nur dankbar sein, dass es noch keinen Spatenstich für eine Investitionsruine gegeben hat", sagte Heinemann. Wieder einmal zeige sich, dass die Politik oft daneben liege, wenn sie meine, die Gewinner von morgen gefunden zu haben.

Gropp sagte, Intel habe ohnehin nicht an vorderster Pionier-Front Chips produziert. Zudem sei zweifelhaft, ob man sich damit geostrategisch wirklich unabhängiger von Asien und China machen könne. "Am Ende hätte man die Abhängigkeit nur auf eine andere Stufe der Lieferkette verlagert." Es wären weiter sehr viele Vorprodukte etwa aus Asien gekommen, warnte der IWH-Chef.

Das Berliner DIW-Institut hält es wegen "derzeit massiver Schwierigkeiten" von Intel für nicht ausgeschlossen, dass das Magdeburger Werk gar nicht mehr gebaut wird. Deutschland würden mehrere Tausend Arbeitsplätze und einiges an Wertschöpfung verloren gehen, sagte DIW-Experte Alexander Schiersch.

(Bericht von Rene Wagner und Klaus Lauer Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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