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08.11.2024 /10:31:09
TOP-THEMA-Merz für Vertrauensfrage am Mittwoch nach Scholz-Regierungserklärung

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Union: SPD will aus Parteitaktik erst spätere Wahl



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Mehrheit der Deutschen für Neuwahlen, möglichst schnell



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SPD: Müssen vor Weihnachtspause wichtige Gesetze beschließen



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Politbarometer: Union doppelt so stark wie SPD
 
(durchgehend neu)
- von Christian Krämer
Berlin, 08. Nov (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) sollte Oppositionsführer Friedrich Merz zufolge die
Vertrauensfrage im Bundestag bereits am nächsten Mittwoch
stellen. Dies wäre eine gute Gelegenheit gleich nach seiner
geplanten Regierungserklärung, sagte der CDU-Chef am Freitag in
Berlin. "Ich fordere den Bundeskanzler dazu noch einmal auf,
dies so zu tun." Die große Mehrheit der Deutschen spricht sich
nach dem Ampel-Kollaps am Mittwochabend für Neuwahlen aus - und
das möglichst schnell. Aus der SPD kamen dagegen Forderungen,
beim Zeitplan von Scholz zu bleiben.

Die Vertrauensfrage soll den Weg zu Neuwahlen ebnen. Scholz plant dies Mitte Januar, was dann vermutlich eine vorgezogene Wahl im März bedeuten würde. Merz sagte, er sei zu dieser Frage am Donnerstag "im Dissens" mit Scholz auseinandergegangen. Der Kanzler habe keine plausible Begründung geliefert, die Vertrauensfrage erst in zwei Monaten zu stellen. In Unionskreisen hieß es, Scholz habe Merz gesagt, er wolle "geruhsam" in Richtung Bundestagswahl gehen.

Merz vermutet nach eigenen Angaben, dass die SPD Abstimmungen im Bundestag herbeiführen will, die dann im Wahlkampf genutzt werden sollten. "Das ist aber kein Verhalten, das diesem Amt gerecht wird." Es dürfe keine Verzögerung geben allein wegen Parteitaktik. "Wir brauchen jetzt schnell den Weg zu Neuwahlen." Nur der Kanzler könne dabei die Vertrauensfrage stellen.

SPD WIRFT UNION "POPANZ" VOR

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, sagte, der "Popanz", den die Opposition aufführe, müsse aufhören. Es könne nicht nur über den Termin der Vertrauensfrage gestritten werden. Die Bevölkerung wolle Entscheidungen zu inhaltlichen Themen wie dem Kindergeld, der Sicherung von Jobs in der Industrie oder der Senkung von Energiepreisen. Auf die Frage, ob dabei die Union im Bundestag nicht mitmache, sagte Mützenich: "Ich weiß das nicht." Das müsse man nun herausfinden. Merz hatte bereits am Donnerstag erklärt, er wolle erst nach der Vertrauensfrage über Inhalte reden.

Am Freitag sagte er, die Union werde weiterhin im Bundestag richtigen Gesetzen zustimmen. In den drei Jahren der Ampel habe man in etwa die Hälfte der Vorhaben mitgetragen. "Und so werden wir das auch in dem zu Ende gehenden Bundestag halten. Da hat sich unsere Haltung nicht geändert." Scholz führt ohne FDP jetzt eine rot-grüne Minderheitsregierung und ist damit auf Stimmen der Opposition angewiesen.

Im ZDF-Politbarometer gaben 84 Prozent der befragten Bürger an, eine frühere Bundestagswahl gut zu finden. Mitte Oktober waren es nur 48 Prozent. Für einen Neuwahltermin im März sprechen sich 30 Prozent aus, 54 Prozent wollen dies früher. Zwölf Prozent sind der Meinung, dass die Wahl zum regulären Termin im September 2025 stattfinden sollte. 59 Prozent sagten in der Umfrage, es sei gut, dass Scholz Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen habe. 27 Prozent halten dies nicht für gut. 39 Prozent geben an, alle drei Ampel-Partner seien gleichermaßen schuld. 31 Prozent sehen vor allem bei der FDP die größte Schuld. Die Ampel ist an sehr unterschiedlichen Ansichten zur Finanzpolitik zerbrochen.

SPD-Co-Chefin Saskia Esken sagte im ZDF, das Land warte noch auf die Umsetzung wichtiger Gesetze vor der Weihnachtspause. Die Entscheidungen sollten nicht in einer Wahlkampfsituation getroffen werden, die sofort nach einer Vertrauensfrage entstehen würde. Trotz der schlechten Umfragewerte für Scholz bekräftigte Esken dessen Position als Kanzlerkandidat der SPD. "Wir sind überzeugt, dass wir mit ihm gemeinsam auch diese Bundestagswahl gewinnen können."

Im neuen Politbarometer kommen die Sozialdemokraten unverändert auf 16 Prozent. CDU/CSU mit Kanzlerkandidat Merz liegen mit 33 Prozent deutlich vorne. Auch die AfD ist mit 18 Prozent noch vor der SPD. Am wahrscheinlichsten wären damit im Moment eine Regierung aus Union und SPD oder ein Bündnis von Union und Grünen.



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