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15.10.2024 /17:00:18
STICHWORT-Warum erhitzen Rechengrößen und kalte Progression die Koalition?

- von Holger Hansen
Berlin, 15. Okt (Reuters) - Die Ampel-Koalition streitet
über Rechengrößen und kalte Progression. Was steckt dahinter?

- Im Kern geht es um die Belastung durch Steuern und Abgaben. Bei der kalten Progression zahlen Beschäftigte bei Lohnerhöhungen höhere Steuern, obwohl das Lohnplus von der Inflation womöglich aufgezehrt wird und ihnen somit keine höhere Kaufkraft beschert. Eine Abmilderung der kalten Progression führt dazu, dass inflationsbedingte Einkommenssteigerungen nicht zwangsläufig zu höheren Steuerzahlungen führen. Vor allem Finanzminister Christian Lindner (FDP) dringt darauf, eine höhere Steuerlast zu verhindern. Davon würden vor allem mittlere und höhere Einkommen profitieren.

- Bei den Rechengrößen in der Sozialversicherung geht es um eine Verordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Das ist eigentlich ein Routinevorgang in jedem Jahr. Mit der Verordnung werden die Beitragsbemessungsgrenzen in der Renten- und Krankenversicherung jährlich an die Lohnentwicklung angepasst. Für 2025 bedeutet dies aber eine ungewöhnlich starke Erhöhung bei einer Lohnzuwachsrate für 2023 von rund 6,4 Prozent. Durch die Anhebung müssen Gutverdiener mehr zahlen, weil dann ein größerer Teil ihres Lohns unter die Sozialabgabenpflicht fällt. Für Entgelte über den Grenzen werden keine Sozialabgaben fällig. Laut Sozialverband VdK beschert die Anhebung der Rentenversicherung Mehreinnahmen von etwa zwei Milliarden Euro. Andernfalls müsse der Beitragssatz für alle angehoben werden.

- Lindner und seine FDP kritisieren nun, die stärkere Belastung von Gutverdienenden mit Sozialabgaben sei ein jährlicher Automatismus. Die Abmilderung der kalten Progression indes müsse immer wieder neu beschlossen werden. Für die Abmilderung der kalten Progression hat die Regierung dem Bundestag bereits ein Gesetz vorgelegt - das Steuerfortentwicklungsgesetz. Lindner wirft nun aber den Grünen eine Blockade vor, weil sie das Gesetz nicht bereits in dieser Woche im Bundestag verabschieden wollen. Die Grünen führen indes ins Feld, dass das Kabinett erst am Mittwoch noch Änderungen der Gesetzesvorlage beschließen will, die die Koalitionsfraktionen dann als Anträge in das laufende Verfahren einbringen sollen. "Das Gesetz final zu verhandeln, bevor überhaupt die nötigen Zahlen im Kabinett verabschiedet sind, wäre nicht seriös", sagt Grünen-Vizefraktionschef Andreas Audretsch.

- Bis zum Dienstagnachmittag blieb das weitere Verfahren zunächst offen. Fest stand nach Angaben aus Regierungskreisen nur, dass das Kabinett am Mittwoch die Änderungen zur Steuergesetzesvorlage beschließen werde. Damit werden der vom Finanzministerium vorgelegte Progressionsbericht und der Existenzminimumbericht in der Gesetzesvorlage berücksichtigt. Im Ergebnis führt dies laut Finanzministerium zu einem nochmals leicht erhöhten Grundfreibetrag bei der Steuer und einem zusätzlichen Entlastungsvolumen von etwa 200 Millionen Euro.

(Zusammengetragen von Holger Hansen Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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