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Insider: Folgen der Anleihenkäufe sollten in den Fokus rücken
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EZB-Strategiepassus sollte Insidern zufolge diskutiert werden
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Thema könnte auf nächster Strategieüberprüfung beraten werden
- von Balazs Koranyi und Francesco Canepa |
Sintra, 03. Jul (Reuters) - Mehrere Währungshüter der |
Europäischen Zentralbank (EZB) dringen auf eine Prüfung der |
Folgen der jahrelangen aggressiven Stützungsmaßnahmen aus der |
Zeit der ultralockeren Geldpolitik. Die billionenschweren |
Anleihenkäufe hätten mehr Schaden als Nutzen gebracht, sagten |
sechs Insider der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir erwarben |
Billionen über Billionen an Vermögenswerten und brachten immer |
noch nicht die Inflation zurück zum Zielwert", sagte einer von |
ihnen. Auch nach dem Ende dieser Stützungsmaßnahmen gebe es |
immer noch rund drei Billionen Euro an Überschussliquidität. |
Diese Politik habe die Hände der Notenbank für Jahre gebunden. |
Die EZB hatte in den Jahren nach 2014 mit Käufen von Staatsanleihen und Firmenanleihen versucht, gegen eine sehr niedrige Inflation vorzugehen und eine äußerst schwache Konjunktur zu beleben. Die Schlüsselzinsen setzte die EZB zudem damals immer weiter nach unten, um die Finanzierungsbedingungen in der Wirtschaft günstig zu halten. Der Einlagensatz wurde schließlich sogar tief in den negativen Bereich gesenkt. Noch im Juni 2022 lag der Satz bei minus 0,5 Prozent - das bedeutete Strafzinsen für Banken, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parkten.
Die Währungshüter wollen den Insidern zufolge in diesem Zusammenhang über die Änderung einer Klausel in der geldpolitischen Strategie der EZB diskutieren, die besonders kraftvolle und nachhaltige Maßnahmen dann als erforderlich einstuft, wenn die Zinsen bereits nahe an ihrem Tiefpunkt liegen. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab. Es wird erwartet, dass diese Themen bei der nächsten Strategieüberprüfung der Notenbank angesprochen werden, die im nächsten Jahr ansteht.
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die als Denkschmiede für die internationale Notenbankwelt gilt, hatten die Debatte um Kosten und Nutzen der Anleihenkäufe neu entfacht. Die BIZ hatte argumentiert, mit der Zeit nähmen die Erfolge einer besonders starken und langanhaltenden Lockerungspolitik ab. In einem Niedrigzinsumfeld könne sie die Inflation nicht feinsteuern und langfristig könnten unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Dazu zählte die BIZ unter anderem die Ermutigung zu übermäßiger Risikobereitschaft oder die Entstehung von Verwundbarkeiten im Finanzsystem. Zum Zeitpunkt, als die ultralockere Geldpolitik erstmals eingesetzt worden sei, hätten Währungshüter dies nicht in vollem Umfang beachtet.
Die BIZ liege richtig, es müsse überprüft werden, wie die Euro-Notenbank einige ihrer Instrumente einsetze, sagte einer der Insider. Alle sechs stimmten darin überein, dass Anleihenkäufe das richtige Instrument im Fall eines Schocks wie der Corona-Pandemie seien. Die EZB hatte dafür ein separates Programm mit dem Namen "PEPP" aufgelegt. Anleihenkäufe sollten hingegen nicht so intensiv und so lange betrieben werden, um auf langfristige Probleme zu reagieren. Insbesondere bei der Bekämpfung struktureller Defizite in der Wirtschaft seien vielmehr die Regierungen gefragt.
(Reporter Balazs Koranyi und Francesco Canepa, geschrieben von Frank Siebelt, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)