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02.07.2025 /13:27:22
FOKUS 1-Klimaziel 2040: EU-Kommission will 90% - Grüne gegen "Ablasshandel"

(durchweg neu; Reaktionen von Schneider, Grünen, BDI; Details)

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Kommission schlägt Klimaziel von 90 Prozent für 2040 vor



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Emissionszertifikate im Ausland sollen angerechnet werden



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Schneider begrüßt Vorschlag als gemeinsamen europäischen Weg



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Grüne warnen: Klimaschutz nicht im Ausland einkaufen
 
Brüssel, 02. Jul (Reuters) - Die EU-Kommission hat am
Mittwoch ein neues Klimaziel für das Jahr 2040 vorgeschlagen,
das erstmals auch die Anrechnung von Emissionsgutschriften aus
dem Ausland erlaubt. Der Ausstoß von klimaschädlichen
Treibhausgasen soll bis dahin um 90 Prozent im Vergleich zu 1990
verringert werden. Dies soll als verbindliches Ziel auf dem Weg
zur Klimaneutralität 2050 verankert werden. Der Vorschlag lässt
den Mitgliedstaaten aber Freiraum bei der Umsetzung, weil die
Reduktion nicht allein in der EU erbracht werden muss. Damit
kommt die Kommission EU-Staaten entgegen, die befürchten, hohe
Kosten könnten Wirtschaft und private Haushalte überfordern.
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) begrüßte den
Vorschlag. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
mahnte, die EU müsse mehr Flexibilität als bisher ermöglichen.

Eine wesentliche Neuerung ist, dass die Emissionsreduktion nicht allein in der EU erreicht werden muss. Bis zu drei Prozentpunkte des 90-Prozent-Ziels können durch Maßnahmen zur Kohlendioxid-Verringerung im Ausland erfüllt werden. Als Beispiel wird die Wiederaufforstung von Wäldern in Brasilien genannt. Dies wäre ein Kurswechsel, da die bisherigen EU-Klimaziele ausschließlich auf innereuropäischen Einsparungen beruhen. Umweltorganisationen sehen dies kritisch.

HOEKSTRA: KLIMAZIEL SCHAFFT INVESTITIONSSICHERHEIT

Das neue Klimaziel schaffe Investitionssicherheit für Industrie und Regierungen, erklärte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra. "Wir bleiben auf Kurs bei der sauberen Transformation", erklärte Hoekstra. Dies habe wirtschaftliche wie auch sicherheits- und geopolitische Gründe.

Emissionsgutschriften werden durch Projekte erwirtschaftet, die Kohlendioxid im Ausland reduzieren. Untersuchungen in der Vergangenheit hatten jedoch gezeigt, dass einige dieser Zertifikate nicht die versprochenen Umweltvorteile brachten.

Mit dem Vorschlag für mehr Flexibilität liegt die Kommission auf Linie der Bundesregierung aus Union und SPD. Die Koalition hat sich für das 90-Prozent-Ziel ausgesprochen, sofern die Länder internationale Kohlenstoffgutschriften nutzen können, um bis zu drei Prozentpunkte des Ziels zu erreichen.

"Für Deutschland bedeutet der Vorschlag: Es gibt keinen Alleingang beim Klimaschutz, Europa geht gemeinsam in vergleichbarem Tempo voran", sagte Schneider. Jetzt komme es darauf an, den Vorschlag schnell zu beschließen, um daraus vor der Weltklimakonferenz im November ein Ziel für 2035 abzuleiten.

Der BDI begrüßte die Anrechnung internationaler Emissionsgutschriften und forderte eine rasche Umsetzung. Die Industrie benötige noch vor 2030 die Sicherheit, dass ihr "dieses wichtige Ventil" nach 2030 zur Verfügung stehe. Zudem stehe und falle das Klimaziel mit dem Hochlauf von CO2-Entnahmetechnologien.

GRÜNE: KEINEN KLIMASCHUTZ IM AUSLAND EINKAUFEN

Die Grünen begrüßten den Vorschlag im Kern, kritisierten aber die Aufweichung bei der Umsetzung. "Dieses Ziel ist machbar, schafft Planungssicherheit und steckt den Pfad ab für die europäische Klimaneutralität", sagte deren klimapolitische Sprecherin Lisa Badum der Nachrichtenagentur Reuters. "Nur leider gibt es einen Haken." Es solle "künftig möglich werden, Klimaschutz im Ausland einzukaufen". CO2-Zertifikate seien aber "so wirkungslos wie alte Ablassbriefe".

Die Festlegung eines Etappenziels für das Jahr 2040 soll sicherstellen, dass in der EU rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Als Zwischenziel ist bisher nur eine Reduktion des Kohlendioxidausstoßes (CO2) um 55 Prozent bis zum Jahr 2030 festgelegt. Die EU-Kommission sieht sich auf gutem Weg. Auf der Grundlage der verpflichtenden nationalen Klimapläne könnten bis 2030 54 Prozent erreicht werden. Bis 2023 waren die Treibhausgas-Emissionen erst um 37 Prozent gesunken. 1990 ist das international vereinbarte Referenzjahr für Klimaziele.

Der Vorschlag muss nun vom Europäischen Parlament und einer qualifizierten Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten verhandelt und gebilligt werden. Das kann Jahre dauern. Allerdings steht die EU unter Zeitdruck: Bis Mitte September muss sie bei den Vereinten Nationen ein Klimaziel für 2035 einreichen, das nach Angaben der EU-Kommission aus dem 2040er-Ziel abgeleitet werden soll.

(Bericht von Kate Abnett in Brüssel und Holger Hansen in Berlin Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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