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07.11.2024 /15:51:47
HINTERGRUND-Wie geht es nach dem Bruch der Ampel weiter?

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Haushalt als offene Frage



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Unklarheit über weitere Gesetzesvorhaben



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Regierung ohne eigene Mehrheit im Bundestag



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Union pocht auf frühere Vertrauensfrage





- von Andreas Rinke -

Berlin, 07. Nov (Reuters) - Nach der Entlassung der FDP-Minister aus der Bundesregierung und dem Ampel-Aus sind etliche Fragen offen. Die noch aus SPD und Grünen bestehende Regierung ist eine Minderheitsregierung, die über keine eigene Mehrheit im Bundestag verfügt.

WIE SIEHT DIE MINDERHEITSREGIERUNG AUS?

Der bisherige Staatssekretär im Kanzleramt, Jörg Kukies (SPD), übernimmt bis zur Bildung einer neuen Regierung nach der Bundestagswahl das Finanzministerium - das er als ehemaliger Staatssekretär gut kennt. Verkehrsminister Volker Wissing ist am Donnerstag aus der FDP ausgetreten, bleibt Verkehrsminister und übernimmt zusätzlich das Justizministerium. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) wird das freigewordene Wissenschaftsministerium übernehmen.

WAS PASSIERT MIT DEM HAUSHALT?

Wegen des Bruchs der Koalition kann zunächst weder der Haushalt 2025 noch der Nachtragshaushalt 2024 mit der früheren Ampel-Mehrheit beschlossen werden. Beim Nachtragshaushalt stellt sich die Frage, ob die FDP doch zustimmt, was unklar ist. Der Nachtragshaushalt muss in diesem Jahr beschlossen werden.

Wahrscheinlich ist für den Haushalt 2025, dass er nicht mehr in diesem Jahr beschlossen wird. Wie mehrfach in der Vergangenheit - etwa 2018 - käme es dann zu einer vorläufigen Haushaltsführung. Gehälter werden weitergezahlt, eingegangene Verpflichtungen und Verträge der Regierung erfüllt. Ansonsten hat der Finanzminister weitgehende Kontrolle über zusätzliche Ausgaben. Es ist möglich, dass Kanzler Olaf Scholz seine angekündigte Vertrauensfrage mit der Vorlage eines Haushaltsentwurfs 2025 verbindet.

WAS PASSIERT MIT DEN LAUFENDEN GESETZESVORHABEN?

Es befinden sich etliche Gesetzespakete in der parlamentarischen Beratung. Das Kabinett beschloss am Mittwoch weitere Projekte, die nun in den Bundestag gehen. SPD und Grüne haben dort keine Mehrheit, müssen also im Einzelfall jeweils um Unterstützung anderer Fraktionen werben. CDU-Chef Friedrich Merz hat eine Einzelfallprüfung zugesagt - allerdings nur, wenn der Kanzler zu einer schnellen Neuwahl bereit ist. Ein Gespräch mit Scholz brachte dazu keine Einigung. Es ist unklar, ob die FDP noch Gesetzentwürfen zustimmen wird, an deren Ausarbeitung sie selbst beteiligt war. Dies gilt etwa für das Rentenpaket II, zu dem Lindner sagte, es sei ohne Änderungen zustimmungsfähig.

Die Regierung setzt darauf, dass etliche Projekte am Ende doch die Zustimmung der Union finden und appelliert an die Verantwortung der Opposition. Dies könnte etwa beim Gesetz für verschärfte Auflagen für die kritische Infrastruktur oder die Abmilderung der kalten Progression in der Einkommensteuer sowie diverse Gesetzentwürfe aus dem für Unternehmen wichtigen Wachstumspaket der Fall sein, heißt es. Schwierig dürfte es dagegen etwa für das Tariftreuegesetz oder das Rentenpaket II werden.

WANN KOMMT ES ZUR NEUWAHL?

Scholz hat einen Weg skizziert, der von einer Vertrauensabstimmung im Bundestag am 15. Januar bis zu einer Neuwahl spätestens Ende März reicht. Merz drängt dagegen: Er fordert, dass Scholz die Vertrauensfrage entweder diese oder kommende Woche stellt. Dann könnte die Neuwahl bei Einhaltung aller Fristen bereits im Januar stattfinden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat betont, dass er bereit ist, nach einer gescheiterten Vertrauensabstimmung den Neuwahlprozess einzuleiten. Er machte aber - anders als von der Union erhofft - keinen Druck, dass der Kanzler sehr schnell die Vertrauensfrage stellen sollte.

Merz äußerte sich nach einem Gespräch mit Scholz enttäuscht. Dieser habe nicht einlenken wollen, verlautete aus der Unionsfraktion. Ursprünglich hatte die Union selbst eine Neuwahl im März gefordert. Dann hätten die Parteien mehr Zeit, sich für den Wahlkampf aufzustellen.

WIRD SCHOLZ SPD-KANZLERKANDIDAT?

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch antwortete vor dem Ampel-Bruch auf die Frage, ob Scholz auch bei einer vorgezogenen Wahl Kanzlerkandidat der SPD werde, mit: "Davon gehe ich fest aus." Dies bestätigten auch andere Parteivertreter.

(Mitarbeit: Holger Hansen, redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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