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07.11.2024 /16:32:18
FEATURE-"Ich habe Angst" - Trump-Sieg lässt Demokraten-Wähler verzweifeln

- von Timothy Aeppel und Andrea Shalal und Helen Coster und Tim Reid

Milwaukee, 07. Nov (Reuters) - Am Tag nach Donald Trumps
Wahlsieg können es viele Anhänger der Demokraten immer noch
nicht so richtig fassen, dass der Republikaner es geschafft hat,
ein zweites Mal ins Weiße Haus einzuziehen. "Der Zustand des
Landes macht mir Angst", sagt Krista Wilson aus Raleigh im
Bundesstaat North Carolina. "Dass die Menschen für einen
verurteilten Verbrecher stimmen, jemanden, der instabil ist,
Gewalt angestiftet hat und der Angst und Rassismus nutzt, um
Wähler zu motivieren - dass sie für ihn anstatt für eine
hochqualifizierte Frau stimmen würden", sagt die 40-Jährige
ungläubig.

Auch William Washkuhn, ein 33-jähriger Ingenieur in Milwaukee, der nach eigenen Angaben für die Demokratin Kamala Harris gestimmt hat, ist beunruhigt. "Eine Kampagne setzte auf Werte und Zukunft und auf eine echte Verbindung zu den Menschen. Die andere auf Angst, Spaltung und Hass. Es ist hart, das so zu formulieren, denn das bedeutet, dass auch meine Werte in der Minderheit sind. Und das ist beängstigend."

In der Tat bekam Trump am Dienstag nicht nur die meisten Wahlleute zugesprochen, die über die einzelnen Bundesstaaten vergeben werden und deren Anzahl letztlich darüber entscheidet, wer Präsident wird. Es zeichnete sich ab, dass er auch die tatsächliche Mehrheit der Stimmen landesweit erhalten hat. Das ist für die Demokraten besonders bitter, denn seit 2008 haben sie stets die "popular vote" geholt, die einem Sieg in der Wahrnehmung besondere Legitimität verleiht. 2016 erhielt Trump faktisch weniger Stimmen als seine damaligen Kontrahentin Hillary Clinton. Da er sich aber aufgrund des besonderen Wahlsystems mehr Wahlleute sichern konnte, stand er dennoch als Sieger da. Diesmal aber haben auch unter dem Strich die Mehrheit der amerikanischen Wähler ihr Kreuz bei dem Republikaner gemacht.

TRÄNEN UND ENTTÄUSCHUNG

Joan Arrow, eine 29-jährige Trans-Frau, die in Arizona für Harris geworben hatte, sagt, der Wahlausgang habe sie zum Weinen gebracht. Sie spreche mit ihrem Ehemann darüber, ob das Paar nach Kanada auswandern sollte. Karla Miller, eine 61-jährige Pfarrerin in Hendersonville, North Carolina, sorgt sich, dass die "Klimanotlage noch mehr ignoriert wird". Trumps einwandererfeindliche Rhetorik beunruhigt Allen Meza, einen 34-jährigen Sozialarbeiter in Smyrna, Georgia, der als Sohn eines schwarzen Vaters und einer aus Mexiko eingewanderten Mutter fürchtet, wegen seiner Hautfarbe ins Visier zu geraten.

Jean Thomson aus Marietta in Georgia sieht es etwas nüchterner: "Es ging um die Geldbörsen der Menschen", sagt die 63-Jährige. Lebensmittel etwa seien während Trumps erster Amtszeit billiger gewesen, und viele Wähler hofften, dass Trump die Preise senken könnte. Das jedoch sei ein Trugschluss, meint Thomson. "Sein Verhalten ist so ungeheuerlich. Aber viele meiner republikanischen Freunde sagen, man müsse darüber hinwegsehen."

Andere wiederum sehen durchaus auch eine Schuld bei den Demokraten selbst. Etwa Lexis Zeidan aus Dearborn in Michigan. Sie ist eine der Gründerinnen der pro-palästinensischen Bewegung "Uncommitted National Movement", die der scheidenden demokratischen Regierung vorwirft, im Gaza-Krieg zu sehr Israel zu unterstützen. "Diese Regierung hat viele Dinge, die den Menschen wichtig sind, völlig ignoriert ? Klimagerechtigkeit, die Arbeiterklasse." Harris sei sicherlich Rassismus und Sexismus ausgesetzt gewesen. Aber ihre Partei habe auch die Bedürfnisse und Anti-Kriegs-Werte vieler Kernwähler ignoriert.

Auch Aaliyah Pilgrim, die in Georgia für Harris stimmte, macht Versagen bei den Demokraten aus. Die Partei habe ihren Weg verloren und es sei nicht zu erkennen, wie sie "jemals wieder auf die Beine kommt", sagt die 28-Jährige, die in einem Pflegeheim arbeitet und daneben für Fahrdienstvermittler arbeitet, um ihre Rechnungen zu bezahlen. "Die Demokraten sollen für die Menschen da sein, aber die Menschen sehen das nicht. Es wird härter für die Unterschicht. Wir brauchen mehr Unterstützung und die Leute denken, sie bekommen das von den Republikanern. Ich habe Angst."

(geschrieben von Christian Rüttger. Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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