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15.06.2025 /11:53:59
FOKUS 1-Papier zu EU-Finanzen: Bundesregierung lehnt höhere Zahlungen an EU ab

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Auftakt für EU-Ringen über Finanzrahmen 2028 bis 2034

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Es geht um mehr als eine Billion Euro

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Berlin gegen gemeinsamen Schulden

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EU soll Ausgaben reformieren

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(Mit Regierungskreisen aktualisierte Wiederholung vom Samstag)
- von Andreas Rinke
Berlin, 15. Jun (Reuters) - Zum Auftakt der
Verhandlungen über den künftigen Finanzrahmen der Europäischen
Union pocht die Bundesregierung auf eine begrenzte Reform der
EU-Haushaltsregeln. Das geht aus einem Reuters am Samstag
vorliegendem Positionspapier hervor. Obwohl die Gemeinschaft vor
großen Herausforderungen steht, wird in dem Konzept eine
deutliche Anhebung des EU-Etats abgelehnt. "Für eine Erhöhung
des Volumens des Mittelfristigen Finanzrahmens (MFR) gemessen an
der Wirtschaftskraft gibt es keine Grundlage", heißt es in dem
in der Bundesregierung abgestimmten Papier. Die finanziellen
Spielräume der Mitgliedstaaten blieben "auf absehbare Zeit"
begrenzt. Stattdessen wird der Fokus darauf gelegt, dass die EU
ihre Ausgaben überprüfen und neue Schwerpunkte legen müsse, die
"europäischen Mehrwert" brächten. In Regierungskreisen hieß es,
das Papier sei der EU-Kommission am Donnerstag übersandt worden.

In der EU beginnen derzeit die Verhandlungen über die nächste EU-Finanzperiode von 2028 bis 2034. Dabei geht es um sehr viel Geld - der jetzige siebenjährige Finanzrahmen umfasst rund 1,2 Billionen Euro. Die 27 EU-Mitgliedstaaten, die derzeit rund ein Prozent ihrer Wirtschaftsleistung an die EU abführen, müssen einen Rahmen beschließen, die EU-Kommission legt dann jährliche Haushalte vor. Die EU-Kommission befürwortet einen Anstieg der Beiträge der Mitgliedstaaten, weil die EU zunehmend mehr Aufgaben übernehmen soll. Ein Teil des Geldes wird - ähnlich wie beim Länderfinanzausgleich - dafür verwendet, Wohlstands- und Entwicklungsunterschiede zwischen den EU-Staaten zu verringern.

Das neue dreiseitige deutsche Positionspapier ist von widersprüchlichen Zielen geprägt. "Angesichts der herausfordernden Ausgangslage braucht es einen modernisierten MFR, der die europäische Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärkt und entsprechend Prioritäten setzt", heißt es einerseits. So soll die EU-Ebene mehr etwa für Verteidigung, Forschung und Technologie ausgeben und die Ukraine-Ausgaben verstetigt werden. Zudem sollen die künftigen EU-Haushalte "einfacher und flexibler" werden, um auf unvorhergesehene Ereignisse wirksam reagieren zu können, damit Mittel auch umgeschichtet werden können.

Andererseits ist der Reformwille der Bundesregierung bei den größten Ausgabenblöcken in den EU-Haushalten - Agrar und sogenannte Kohäsionsmittel - laut Positionspapier eher begrenzt. "Wir wollen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik ein eigenständiger Politikbereich bleibt, mit der ländlichen Entwicklung als integralem Bestandteil", heißt es. Mit Rücksicht auf die Agrarlobby heißt es zudem, dass Einkommensanreize bei der Erbringung von Klima-, Umwelt- und Tierwohlleistungen sogar noch deutlich gestärkt werden sollten. Zudem sollen etwa deutsche Bauern höhere Direktzahlungen bekommen als ihre Kollegen in ärmeren EU-Staaten, weil "unterschiedliche Kostenniveaus berücksichtigt" werden müssten. Immerhin wird eingeräumt, dass Reformen nötig sind, damit die EU-Haushalte "auch in einer erweiterten Union finanzierbar" bleiben. So würde eine Übertragung des derzeitigen Systems an landwirtschaftlichen Subventionen auf einen großen Agrarstaat wie die Ukraine den EU-Haushalt sprengen.

KEINE GEMEINSAME SCHULDENAUFNAHME

Die Bundesregierung bekräftigt ihre ablehnende Haltung gegenüber neuen gemeinsamen Schuldenaufnahmen. So wird ausdrücklich betont, dass die Kreditaufnahme durch die EU-Kommission für das milliardenschwere "Next Generation EU" (NGEU)-Paket nach der Corona-Pandemie eine einmalige Angelegenheit gewesen sei. "Eine Verstetigung dieses außerordentlichen und temporären Instruments lehnt die Bundesregierung ab, eine Verlängerung ist rechtlich ausgeschlossen", heißt es. Dies kann auch als Absage an die von einigen Staaten geforderte gemeinsame Finanzierung von Rüstungsausgaben über sogenannte Verteidigungsbonds verstanden werden.

Die schwarz-rote Bundesregierung betont zudem ihre Offenheit für die Einführung sogenannter Eigenmittel der EU - also eigene Einnahmen für die europäische Ebene durch Abgaben oder Steuern. Man werde entsprechende Vorschläge der EU-Kommission prüfen, auch damit die Rückzahlung der Corona-Kredite nicht zulasten des regulären EU-Haushalts erfolge.

Zudem will die Bundesregierung einen härteren Kurs gegen EU-Mitglieder wie Ungarn fahren, denen die wiederholte Verletzung zentraler EU-Prinzipien vorgeworfen wird. "Rechtsstaatlichkeitsinstrumente müssen konsequent angewandt, weiterentwickelt und ausgebaut werden", heißt es in dem Positionspapier. Auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte über das Positionspapier berichtet.

(Redigiert von Hans Busemann und Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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