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Unsicherheit über Trump-Rolle auf Gipfel in Kanada
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"Müssen Signal der Einigkeit zeigen"
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Umgang mit Israel könnte Gespräche dominieren
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Kein Durchbruch bei Zollstreit und Ukraine erwartet
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Merz plant Gespräche mit nicht-europäischen Regierungschefs
- von Andreas Rinke |
Berlin, 15. Jun (Reuters) - Normalerweise sind G7-Gipfel |
der größten westlichen Industriestaaten Treffen der |
Geschlossenheit und demonstrativen Stärke. Aber wenn sich die |
sieben Staats- und Regierungschefs und EU-Kommissionspräsidentin |
Ursula von der Leyen ab Sonntag in den kanadischen Rocky |
Mountains treffen, ist das Ziel wegen der Teilnahme von |
US-Präsident Donald Trump viel bescheidener. "Das Wichtigste |
ist, dass wir es schaffen, als G7 ein Signal der Einigkeit zu |
senden", beschreibt ein deutscher Regierungsvertreter die |
Planungen. Das gilt schon wegen des israelischen Angriffs auf |
den Iran und einer möglichen Eskalation als dringend nötig - |
aber nicht als selbstverständlich. |
Mit Schrecken erinnern sich Diplomaten an den kanadischen G7-Gipfel im Jahr 2018, als es zwar gelang, ein gemeinsames Abschlussdokument mit Trump zu verabschieden, von dem sich dieser aber distanzierte, als die Teilnehmer auf dem Heimweg waren. In seiner zweiten Amtszeit gilt Trump gerade bei multilateralen Themen als noch unberechenbarer. Der Präsident überzieht die Welt mit Zollkonflikten, wundert sich öffentlich, wieso die G7-Partner Deutschland und Japan anders als Russland weltweites Ansehen genießen - und hat mehrfach Anspruch auf das Gastgeberland Kanada erhoben.
Beim Thema Israel gehören die USA und Deutschland zu den entschiedensten Verbündeten der Regierung in Jerusalem, während Frankreich, Kanada und Großbritannien gerade Sanktionen gegen zwei israelische Kabinettsmitglieder verhängt haben. Israels Angriff auf den Iran könnte die Differenzen vertiefen.
Allen öffentlichen Optimismus-Bekenntnissen der Regierungen zum Trotz ist die Stimmung vor dem Gipfel deshalb gespannt. "Wir sind nicht an dem Punkt, wo wir uns eine Formel wie sechs zu eins zu eigen machen", betont ein deutscher Regierungsvertreter. Aber allein die Tatsache, dass man dies betonen muss, zeigt die Krise der westlichen Welt. Der kanadische Gastgeber Mark Carney - der Trumps Gebietsansprüche harsch zurückgewiesen hat - verzichtet gleich darauf, eine umfassende gemeinsame Gipfelerklärung anzustreben. Dafür soll es Erklärungen zu Themen geben, bei denen sich die G7 eher einig sein könnten: Künstliche Intelligenz, Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen, Waldbrände.
Tatsächlich wird dem Gipfel diesmal nicht nur von der Bundesregierung eher ein "Etappencharakter" zugemessen - dessen Erfolg schon daran liegen dürfte, dass es keinen Eklat gibt. Schon wenige Tage später wird man auf dem Nato-Gipfel erneut mit Trump zusammentreffen - und dort soll der US-Präsident angesichts eines immer aggressiver auftretenden Russlands zumindest den Status quo der westlichen Welt bekräftigen: dass die Supermacht USA zur Nato und dem Beistandsversprechen nach Artikel 5 steht.
Deshalb wird es im kanadischen Kananaskis keinen Druck geben, Durchbrüche im Zollstreit oder beim Thema Ukraine zu erreichen. Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba hofft aber, am Rande in einem Gespräch mit Trump zumindest Fortschritte zu erzielen. Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum, die wie ihre Kollegen aus Brasilien, Südafrika oder Indien als zusätzliche Gäste zu dem G7-Gipfel eingeladen sind, setzt auch auf ein Treffen mit dem US-Präsidenten. Die chinesische Regierung warnte die westlichen Regierungschefs, sie sollten bei dem Gipfel darauf verzichten, eine Fronthaltung zu Peking zu unterstreichen.
Kanzler | Friedrich Merz will auf seinem ersten G7-Gipfel |
die Gelegenheit | nutzen, am Dienstag erstmals direkte bilaterale |
Gespräche mit den teilnehmenden nichteuropäischen Staats- und | |
Regierungschefs | zu führen. |
Als demonstratives Zeichen hat Gastgeber Carney auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eingeladen - als Signal, dass die anderen Regierungen die von Trump immer wieder betonte Abgrenzung sowohl zu Kiew als auch zu Moskau nicht teilen. Ansonsten will man - wie zuvor Kanzler Merz in Washington - beim US-Präsidenten erneut dafür werben, dass die USA beim Thema Sanktionen den Druck auf Russland erhöht, das die Ukraine weiter täglich angreift. Bei der militärischen Unterstützung der USA machen sich die Europäer dagegen wenig Illusionen. "Wenn wir da den Status quo halten, dass die Amerikaner bestimmte sehr wesentliche Leistungen an die Ukraine fortsetzen, sind wir gut", sagt ein deutscher Regierungsvertreter.
Ansonsten wird es der Gipfel der indirekten Botschaften: Carney plant eine gemeinsame Resolution zu Waldbränden, die zum Problem für Kanada und die USA geworden sind. Damit ließe sich das von Trump ungeliebte Thema Klimaschutz aus aktuellem Anlass auf die G7-Agenda setzen: Denn die kanadischen Behörden warnen, dass es wegen anhaltender Brände auch Rauchwarnungen für den Gipfelort geben könnte.
(Mitarbeit: Ed White, Tim Kelly und Colleen Howe, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)