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04.10.2024 /16:27:30
FOKUS 2-EuGH-Urteil bringt Transferregeln im Fußball ins Wanken

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EuGH rüttelt an Transfersystem für Profifußballer

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Gericht: FIFA schießt über das Ziel hinaus

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Franzose Diarra fand ein Jahr lang keinen neuen Club
 
(neu: weitere Reaktionen, Experten)
- von Julien Pretot
Paris, 04. Okt (Reuters) - Ein Urteil des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) rüttelt an den Grundfesten des
Transfersystems in Profifußball. Die Regeln des
Fußball-Weltverbandes Fifa beim Vereinswechsel von Profi-Kickern
verstießen gegen europäisches Recht, entschied der EuGH in einem
am Freitag verkündeten Urteil. "Die in Frage stehenden Regeln
behindern die Freizügigkeit professioneller Fußballer, die sich
weiterentwickeln wollen, indem sie für einen neuen Verein
arbeiten", urteilte der EuGH am Freitag in Luxemburg. Zwar seien
Beschränkungen grundsätzlich zulässig, um einen geordneten
Wettbewerb aufrecht zu erhalten. Doch die Vorschriften "scheinen
in mehrerlei Hinsicht über das hinauszugehen, was zur Erreichung
dieses Ziels erforderlich ist".

Nach den FIFA-Regeln müssen Fußballer, die ihren Vertrag "ohne triftigen Grund" vorzeitig kündigen, dem bisherigen Verein Schadenersatz zahlen. Ihr neuer Verein wird dafür in Mithaftung genommen - ihm droht zusätzlich sogar eine Transfersperre, wenn er nicht belegen kann, dass er den Spieler nicht aktiv abgeworben hat. Auch nach dem Wettbewerbsrecht, dem die Fifa unterliege, seien diese Vorschriften "wahrscheinlich (...) nicht unerlässlich oder erforderlich", hieß es in der Entscheidung.

Das Urteil aus Luxemburg könne zu einer Reduktion der oft millionenschweren Ablösesummen führen und den Spielern mehr wirtschaftliche Macht geben, sagte Wettbewerbsrechtler Ian Giles von der Anwaltskanzlei Norton Rose Fulbright. "Es kann gut sein, dass Spieler jetzt glauben, dass sie Verträge brechen und bei neuen Klubs unterschreiben können, ohne dass ihr alter Verein sie halten oder hohe Ablösesummen verlangen kann". Vor allem kleinere Vereine leben davon, Spieler groß herauszubringen, um sie teurer weiterzuverkaufen.

In dem vor den EuGH gebrachten Fall geht es um den ehemaligen französischen Nationalspieler Lassana Diarra. Er hatte 2013 bei Lokomotive Moskau einen Vier-Jahres-Vertrag unterschrieben, aber ein Jahr später nach einer Gehaltskürzung gekündigt. Drohende Schadenersatzforderungen und Sanktionen der Fifa schreckten den belgischen Club Charleroi ab, der ihn unter Vertrag nehmen wollte. Letztlich fand Diarra erst ein Jahr später in Frankreich einen neuen Verein. Die Fifa forderte ihn 2015 auf, zehn Millionen Euro Schadenersatz an Moskau zu zahlen. Daraufhin verklagte er seinerseits die Fifa vor einem Gericht im belgischen Mons auf Schadenersatz. Dieses rief den EuGH an. Der heute 39-jährige Diarra beendete seine aktive Laufbahn 2019 bei Paris Saint-Germain.

1.FC KÖLN LEIDET UNTER GELTENDEN REGELN

Diarras Anwalt Jean-Louis Dupont erklärte, das Urteil werde das Transfersystem ändern. "Die Unantastbarkeit der Fifa ist vorbei", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Die Vereinigung der Fußball-Profis (FIFPRO) begrüßte das Urteil, das "die Landschaft des Profifußballs verändern" werde. Es gehe nun darum, den Schaden für alle Spieler zu reparieren, die Opfer des seit 2001 geltenden Fifa-Transfersystems geworden seien. Die FIFA erklärte dagegen, die Grundsätze des Transfersystems seien durch das Urteil bestätigt worden. In Frage gestellt würden nur zwei Absätze des umfassenden Regelwerks.

Die strengen Transferregeln für vertragsbrüchige Spieler bekommt in Deutschland derzeit der 1. FC Köln zu spüren. Der Zweitligist hatte 2022 einen Juniorenspieler aus Slowenien verpflichtet, nachdem dessen Mutter einen Tag zuvor den Vertrag mit seinem bisherigen Verein gekündigt hatte. Die Kölner konnten nicht nachweisen, dass sie den Spieler nicht dazu angestiftet hatten, und dürfen deshalb nun ein Jahr lang keine neuen Spieler verpflichten.

(Bericht von Tassilo Hummel, Julien Pretot und Alexander Hübner redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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