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06.11.2024 /07:31:31
SPOTANALYSE-Ökonomen zum Ausgang der US-Präsidentenwahl

06. Nov (Reuters) - Bei der US-Präsidentschaftswahl deutet sich ein Sieg des Republikaners Donald Trump über seine demokratische Rivalin Kamala Harris an. Ökonomen sagten dazu in ersten Reaktionen:

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

"Trump dürfte seine aggressiven Zollpläne zumindest in Teilen umsetzen. Sein angekündigter Zollsatz von mindestens zehn Prozent für alle Importe in die USA wäre besonders für das Exportland Deutschland schlecht. Die Zölle verteuern nicht nur deutsche Waren in den USA, sondern dürften auch zu Gegenzöllen der EU führen, was den Außenhandel weiter belasten würde. Außerdem erhöht eine von Trump forcierte De-Globalisierung mittelfristig die Inflationsrisiken auch im Euroraum. Was Trumps geplante Senkung der Körperschaftssteuer anbelangt, so würde Deutschland mit seinen hohen Steuersätzen noch weiter ins Hintertreffen geraten."



HOLGER SCHMIEDING, CHEFVOLKSWIRT BERENBERG BANK:

"Für europäische Unternehmen würde Trumps Rückkehr ins Weiße Haus eine erhebliche handels- und geopolitische Unsicherheit bedeuten, die sich negativ auf das Wachstum auf dem Kontinent auswirken dürfte. Wir gehen davon aus, dass Trump zunächst nur selektive, aber schlagzeilenträchtige Zölle verhängen wird - und damit droht, viel weiter zu gehen, wenn China und Europa ihm in den Verhandlungen nicht erhebliche Zugeständnisse machen. Das wäre vergleichbar mit seinem Vorgehen in den Jahren 2017-2020.

Für sich genommen könnte eine solche Eskalation der Handelsspannungen dazu führen, dass wir unsere Wachstumsprognose für 2025 für Deutschland von derzeit 0,5 Prozent um etwa 0,2 Prozentpunkte und unsere Prognosen für andere europäische Länder um etwa 0,1 Prozentpunkte senken. Wenn Trump noch weiter geht und tatsächlich einen Zoll von zehn Prozent auf alle Importe aus Europa erhebt, könnte der Schaden noch größer sein. Natürlich kann ein positiver Effekt durch ein vorübergehend schnelleres US-Wachstum und einen stärkeren US-Dollar diesen Schaden etwas abmildern. Ein schwächeres Wachstum in Europa könnte den Ausschlag für eine etwas weichere Haltung der Europäischen Zentralbank (EZB) geben."

CARSTEN BRZESKI, ING-CHEFVOLKSWIRT:

"Eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump würde die ganze europäische Wirtschaft treffen, vor allem die deutsche. Während die erste Amtszeit von Trump eine deutsche Wirtschaft in Hochblüte traf und noch das Wirtschaftswunder 2.0 gefeiert wurde, kommen mögliche Strafzölle, Deregulierung des US-Finanzsektors und geopolitische Spannungen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Nach vier Jahren Stagnation und strukturellen Schwächen ist Deutschland nicht nur der 'kranke Mann Europas', sondern auch verwundbarer als vor acht Jahren.

Wenn ein Land in Europa von Trumpschen Strafzöllen getroffen wird, ist es Deutschland. Zehn Prozent der deutschen Exporte gehen aktuell in die USA. Von der ersten Amtszeit Trumps wissen wir, dass Strafzölle nicht über Nacht kommen, sondern wahrscheinlich erst im zweiten Jahr. Die wirtschaftlichen Folgen einer zweiten Amtszeit von Donald Trump gehen allerdings weiter als 'nur' Strafzölle. Unsicherheit über Trumps Position zur militärischen Unterstützung der Ukraine und der amerikanischen Mitgliedschaft in der Nato sowie Deregulierung im Tech- und Finanzsektor werden Deutschland (und Europa) negativ treffen. Der Standort Europa wird weiter ins Hintertreffen geraten. Eine Eskalation der Spannungen zwischen den USA und China könnten auch Schatten auf Europa werfen.

Zusammenfassend: Mit einer zweiten Amtszeit von Donald Trump im Weißen Haus muss sich vor allem die deutsche Wirtschaft warm anziehen. Der Weg von der Stagnation zur Rezession ist nicht weit und wird gerade wahrscheinlicher. Mit der aktuell in Berlin diskutierten Sparpolitik wird man den weiteren Absturz der Wirtschaft nicht auffangen können. Reformen und Investitionen anstatt Reformen oder Investitionen ist die einzige Antwort."

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

"Die Märkte sind sich bereits relativ sicher: Donald Trump gewinnt. Die Futures auf die großen Aktienindizes liegen im Plus, der Dollar und der Bitcoin legen ebenfalls zu und US-Staatstitel verlieren. Der Dax liegt hingegen vorbörslich im Minus.

Für das wirtschaftlich angeschlagene Europa ergeben sich mit einem Wahlsieg von Donald Trump neue Herausforderungen. Europa muss sich auf etwaige Strafzölle einstellen. Das unter Joe Biden enge transatlantische Verhältnisse wird schwieriger. Insbesondere die für die Ukraine wichtigen Militärhilfen stehen möglicherweise auf der Kippe.

Europa ist jetzt mehr denn je aufgefordert seine Hausaufgaben zu machen. Dazu zählt vor allem die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Hierbei ist ein Abbau der überbordenden Bürokratie dringend erforderlich. Ein Wahlsieg von Donald Trump hat also vor allem Implikationen für den hiesigen Kontinent."

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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