Nachricht


09.01.2025 /15:24:34
FOKUS 1-Bundestag prüft mögliche Einmischung Musks in Wahlkampf

*

Musk bietet AfD kostenlose Bühne - Verdeckte Wahlkampfhilfe?



*

Erhöht Musk die Reichweite des Gesprächs durch neue Algorithmen?



*

Bei illegalen Aussagen würde europäischer DSA greifen
 
(Neu: Details, weitere Zitate)
- von Hakan Ersen
Frankfurt, 09. Jan (Reuters) - Das geplante Gespräch von
Elon Musk mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf dessen
Online-Plattform X schlägt bereits vor Veranstaltungsbeginn
Wellen. Die Bundestagsverwaltung teilte am Donnerstag mit, sie
werde prüfen, ob es sich dabei um eine Beeinflussung des
Wahlkampfs und um eine illegale Parteispende handele. Zunächst
hatte die "Rheinische Post" hierüber berichtet.
"Um eine Parteispende zu sein, müsste es sich bei dem
Gespräch um eine 'geldwerte Leistung' handeln", betonte
Jura-Professorin Sophie Schönberger von der
Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Da das Gespräch wohl
aber nicht gekauft wurde und die Übertragung kostenlos sei,
scheine es sich nicht um eine Spende zu handeln. Michael
Brenner, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der
Universität Jena, äußerte sich zudem zurückhaltend über die
Einstufung als verdeckte Wahlwerbung. "Frau Weidel kann sich mit
jedem Menschen dieser Welt unterhalten, auch wenn das der
reichste Mann der Welt ist." Außerdem sei eine Wahlempfehlung
Musks durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
Die

Organisation Lobbycontrol

verwies auf einen anderen Aspekt: Das Interview werde auf X voraussichtlich deutlich stärker verbreitet als Beiträge anderer Nutzer. "Insofern kann man hier durchaus von politischer Werbung sprechen, denn die Plattform X verkauft eine solche Reichweite normalerweise für sehr viel Geld." Weidels Sprecher wies dies zurück. Die Veranstaltung sei ein legitimes "unabgesprochenes und offenes Gespräch".

GREIFT EUROPÄISCHES RECHT?

Es verstößt aus Sicht von Experten auch nicht prinzipiell gegen den europäischen Digital Services Act (DSA), dem sich Internet-Plattformen unterwerfen müssen. "Problematisch wäre es, wenn Musk seine Plattform dazu nutzt, bestimmten politischen Stimmen mehr Sichtbarkeit zu geben, indem er beispielsweise den Algorithmus, der Nutzern Inhalte anzeigt, verändert", betonte Jan Penfrat, Experte für die Regulierung von Online-Plattformen beim Verband European Digital Rights (EDRi). Ein weiterer Ansatzpunkt für die Anwendung des DSA wären illegale Aussagen während des Gesprächs, wie zum Beispiel die Verharmlosung des Nazi-Regimes. "Da gibt es klare Regeln, die Plattformen verpflichten, Inhalte zeitnah herunterzunehmen. Da können die Behörden, auch nationale, von sich aus aktiv werden."

Bei Verstößen gegen den DSA drohen Strafen von bis zu
sechs Prozent des weltweiten jährlichen Umsatzes. Eine
Möglichkeit, die Verbreitung des Interviews von vornherein zu
verhindern, gibt es nach einhelliger Meinung von Experten nicht.
"Herr Musk kann seine Meinung in der EU online und offline
innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei äußern", betonte Michael
McGrath, EU-Kommissar für Demokratie, Justiz,
Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz.
WAHLKAMPFHELFER MUSK

Musk und Weidel haben für Donnerstagabend (MEZ) ein Gespräch auf "Spaces", einem virtuellen Diskussionsraum bei X, angekündigt. Dabei solle es um die aktuelle politische Lage auch mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar gehen. Der Milliardär Musk trommelt seit einiger Zeit für die in Teilen als rechtsextrem eingestufte AfD und andere rechte Gruppierungen in Europa.

Die AfD liegt der Meinungsforscher-Gruppe Insa zufolge
in Umfragen derzeit mit 21,5 Prozent rund knapp zehn
Prozentpunkte hinter der CDU und führt deutlich vor der
drittplatzierten SPD von Bundeskanzler Scholz. Musks
Unterstützung habe die AfD von ihrem Stigma befreit, sagte
Insa-Leiter Hermann Binkert.

Zuvor hatte der Chef des Autobauers Tesla <TSLA.O> den Wahlkampf des künftigen US-Präsidenten Donald Trump mit Millionensummen unterstützt. In der künftigen US-Regierung bekommt er die Rolle eines engen externen Beraters.

VERBALE AUSFÄLLE - VIRTUELLE DISKUSSIONSRÄUME

In den vergangenen Tagen hatte Musk wiederholt mit Ausfällen gegen diverse Politiker für Wirbel gesorgt. So bezeichnete er unter anderem den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier als antidemokratischen Tyrannen. Bundeskanzler Scholz und den britischen Premier Keir Starmer griff er ebenfalls persönlich an.

"Spaces" war im Mai 2023 erstmals ins Rampenlicht
gerückt, als Floridas Gouverneur Ron DeSantis in einem Gespräch
mit Musk seine Präsidentschaftskandidatur bekanntgeben wollte.
Wegen technischer Probleme konnte das Gespräch damals erst mit
einer knappen halben Stunde Verspätung beginnen.

(unter Mitarbeit von Sarah Marsh, Philip Blenkinsop, Supantha Mukherjee und Friederike Heine, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)



Hinsichtlich weiterer Informationen und einer gegebenenfalls erforderlichen Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte nach § 85 WpHG der für die Erstellung der zugrunde liegenden Finanzinformationen oder Analysen verantwortlichen Unternehmen wird auf das Informationsangebot dieser Unternehmen (Internetseite und andere Informationskanäle) verwiesen.