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08.10.2024 /14:13:25
FOKUS 1-Zuspitzung im Zollstreit - China nimmt Weinbrand aus der EU ins Visier

(Neu: Reaktionen Frankreich, EU, Cognac-Lobby)

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China verhängt vorübergehende Antidumpingmaßnahmen

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EU-Kommission will Fall vor die WTO bringen

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China könnte bald auch Autobauer ins Visier nehmen
 
Peking/Paris, 08. Okt (Reuters) - Zwischen China und der
EU droht eine Zollspirale, die auch die deutschen Autobauer
treffen könnte. Die Volksrepublik verhängte am Dienstag
vorübergehende Antidumpingmaßnahmen auf Weinbrand-Importe aus
der Europäischen Union. Davon betroffen sind Cognac-Marken wie
Hennessy und Remy Martin. Ab dem 11. Oktober müssen Importeure
von Weinbrand aus der EU Sicherheitsleistungen berappen, die
meist zwischen 34,8 und 39 Prozent des Importwerts liegen. Das
Handelsministerium in Paris erklärte, die Maßnahmen verstießen
gegen den freien Handel. Die Europäische Kommission will den
Fall vor die Welthandelsorganisation (WTO) bringen.
"Wir halten diese Maßnahmen für unbegründet und sind
entschlossen, die gewerbliche Wirtschaft der EU vor dem
Missbrauch handelspolitischer Schutzinstrumente zu schützen", so
ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Die Maßnahmen Pekings gelten
als Retourkutsche an die EU: Die EU-Kommission hat vorige Woche
bekanntgegeben, dass sie die Unterstützung der Mitgliedstaaten
hat, um geplante Strafzölle auf E-Autos aus China zu verhängen.
Zugleich sollen Verhandlungen mit der Regierung in Peking für
eine Lösung des Handelsstreits jedoch fortgesetzt werden.

China erklärte zu seinen nun beschlossenen Maßnahmen, eine Untersuchung sei zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass durch das Dumping von Weinbrand aus der EU Chinas Brandy-Sektor "erheblicher Schaden" drohe. Das Handelsministerium deutete mögliche weitere Schritte an: Eine Antidumping- und Antisubventions-Untersuchung in Bezug auf EU-Schweinefleisch laufe noch. Am Ende würden "objektive und faire" Entscheidungen getroffen.

Das Ministerium fügte hinzu, es erwäge eine Erhöhung der Zölle auf Importe von Fahrzeugen mit großen Motoren. Höhere Abgaben würden insbesondere die deutschen Hersteller am härtesten treffen. Im vergangenen Jahr beliefen sich die deutschen Exporte von Fahrzeugen mit mindestens 2,5 Litern Hubraum nach China auf rund 1,1 Milliarden Euro.

MILLIARDEN-GESCHÄFT MIT COGNAC

Die nun verhängten vorläufigen Antidumpingmaßnahmen in Bezug auf Weinbrand treffen insbesondere Frankreich. 2023 kamen 99 Prozent der Weinbrand-Importe Chinas aus Frankreich, wobei die französischen Lieferungen einen Volumen von rund 1,5 Milliarden Euro erreichten. Das Land ist ins Visier Pekings geraten, da es Zölle auf in China gebaute Elektroautos unterstützt. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte hingegen entschieden, dass Deutschland gegen die Verhängung von Strafzöllen stimmte.

Die französische Cognac-Hersteller sehen sich als
Leidtragende: "Diese Ankündigung zeigt deutlich, dass China
entschlossen ist, uns als Reaktion auf die europäischen
Entscheidungen zu chinesischen Elektrofahrzeugen zu besteuern",
erklärte die französische Cognac-Produzentengruppe BNIC.
 
Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte vorige
Woche, dass Chinas Untersuchung in Sachen Weinbrand eine "reine
Vergeltungsmaßnahme" sei. Zölle auf Elektroautos seien hingegen
notwendig, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu bewahren. Die
Aktien von Pernod Ricard <PERP.PA> gerieten nach Bekanntwerden
der Zölle, ebenso wie die von Remy Cointreau <RCOP.PA> und
LVMH <LVMH.PA>, dem Eigentümer von Hennessy, unter Druck.

Die deutsche Wirtschaft hatte sich bereits vorige Woche alarmiert über die Entwicklung im Zollstreit geäußert: "Im Kontext weltweit wachsender Handelsbarrieren blicken deutsche Unternehmen besorgt auf eine mögliche Zollspirale mit China", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. In den Chor der warnenden Stimmen reihte sich auch Bundesbankchef Joachim Nagel ein. Er warnte vor EU-Zöllen gegen Autoimporte aus China: "Zölle und sich gegenseitig in Protektionismus aufschaukeln ? das kann nicht im Interesse Europas sein. Ich spreche mich ganz klar für Gespräche und Verhandlungen mit China aus", sagte er Table.Briefings.

(Bericht von Reinhard Becker, Ryan Woo und Bernard Orr; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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