(Wiederholung vom Sonntag) |
11. Nov (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) |
strebt nach dem Ausscheiden der FDP aus der Ampel-Koalition |
Neuwahlen binnen viereinhalb Monaten an. Am 6. November kündigte |
Scholz an, im neuen Jahr die Vertrauensfrage zu stellen, damit |
der Bundestag am 15. Januar darüber abstimmen könne. Zwischen |
Antrag und Abstimmung müssen laut Grundgesetz 48 Stunden liegen. |
Wenn Scholz wie erwartet die absolute Mehrheit verfehlt, kann |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Neuwahlen ausrufen, die |
Scholz bis Ende März plant. |
Diesen Weg haben bisher drei Bundeskanzler eingeschlagen - Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD). Ähnlich wie von Scholz geplant, dauerte es auch bei seinen Vorgängern Monate von der Ankündigung der Vertrauensfrage bis zur Neuwahl. Allerdings war keinem der drei Kanzler die Koalition geplatzt. Kohl und Schröder hatten sogar noch bis zur Neuwahl Koalitionsmehrheiten, die von beiden Kanzlern lediglich als wackelig eingestuft wurden. Ein Überblick:
23. April
Nach Fraktionsaustritten aus Brandts SPD/FDP-Koalition im Streit über seine Ostpolitik wechselt ein weiterer Abgeordneter das Lager. Damit entsteht ein Patt zwischen den Koalitionsparteien und der oppositionellen Union.
27. April
Ein konstruktives Misstrauensvotum der Union mit ihrem Kandidaten Rainer Barzel (CDU) gegen Brandt scheitert knapp.
28. April
Als Brandt seinerseits im Bundestag keine Mehrheit für seinen Kanzleretat findet, erklärt er sich bereit zu Neuwahlen.
24. Juni
Brandt kündigt an, die Vertrauensfrage zu stellen, um Neuwahlen einzuleiten. Das sei nötig, um klare Verhältnisse zu schaffen. Kritiker bemängeln, eine absichtlich herbeigeführte Auflösung des Bundestags sei nicht im Sinne des Grundgesetzes.
20. September
Brandt stellt den Vertrauensantrag, in der Absicht, die Mehrheit zu verfehlen und damit Neuwahlen zu ermöglichen.
22. September
Vertrauensabstimmung im Bundestag. Obwohl Brandts Koalition bereits keine Mehrheit mehr hat, enthalten sich fast alle Regierungsmitglieder, um die von Brandt beabsichtigte Niederlage sicherzustellen. Bundespräsident Gustav Heinemann löst den Bundestag auf.
19. November
Bei der Bundestagswahl gewinnt Brandts SPD/FDP-Koalition eine klare Mehrheit.
17. September
Im Streit über die Wirtschaftspolitik zerbricht die sozialliberale Koalition von Helmut Schmidt (SPD). Die FDP-Minister treten zurück, Schmidt führt eine Minderheitsregierung der SPD.
01. Oktober
Mit einem konstruktiven Misstrauensvotum stürzen CDU/CSU und FDP Schmidt und wählen Kohl zum Kanzler.
13. Oktober
Kohl kündigt in seiner Regierungserklärung an, die Vertrauensfrage zu stellen, um Neuwahlen einzuleiten. Wie bei Brandt ist auch Kohls Vorgehen umstritten.
13. Dezember
Kohl stellt die Vertrauensfrage, in der Absicht, die Mehrheit zu verfehlen und damit Neuwahlen zu erreichen.
17. Dezember
Vor der Bundestagsabstimmung verteidigt Kohl sein Vorgehen: Er suche für den Regierungs- und Politikwechsel die Legitimation der Wähler. Wie verabredet, versagen die Abgeordneten der CDU/FDP-Koalition Kohl das Vertrauen.
06. Januar
Bundespräsident Karl Carstens löst den Bundestag auf.
16. Februar
Nach einer Klage mehrerer Abgeordneter billigt das Bundesverfassungsgericht Kohls Vorgehen. Das Gericht betont aber, dass dies nur in einer echten Krise zulässig sei.
06. März
Die Union gewinnt die Bundestagswahl klar. Trotz Verlusten der FDP kann Kohl seine schwarz-gelbe Koalition fortsetzen.
22. Mai
Die SPD verliert in Nordrhein-Westfalen die Landtagswahl gegen die CDU. Es ist die Fortsetzung einer Serie von Niederlagen bei Landtagswahlen angesichts der von Schröder und seiner rot-grünen Koalition eingeleiteten Arbeitsmarktreformen.
Schröder kündigt die Vertrauensfrage an, um eine Neuwahl zu erreichen. Ähnlich wie bei Brandt und Kohl gibt es Kritik. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken heißt es auch, Schröder begehe "politischen Selbstmord".
27. Juni
Schröder stellt die Vertrauensfrage, in der Absicht, die Mehrheit zu verfehlen und damit Neuwahlen zu ermöglichen.
01. Juli
Vor der Abstimmung im Bundestag erklärt Schröder zur Begründung, er habe keine sichere Mehrheit mehr. Zudem blockiere die Bundesrat seine Politik. Zur Fortsetzung seiner Reformen benötige er neue Legitimation durch das Volk. Bei der namentlichen Abstimmung verfehlt Schröder wie beabsichtigt die Mehrheit.
21. Juli
Bundespräsident Horst Köhler löst den Bundestag auf und setzt Neuwahlen für den 18. September an.
25. August
Nach einer Klage mehrerer Abgeordneter billigt das Bundesverfassungsgericht auch Schröders "unechte Vertrauensfrage". Das Gericht räumt dem Kanzler und dem Bundespräsidenten bei der Einschätzung der Stabilität der Regierung einen großen Entscheidungsspielraum ein.
18. September
Bei der Bundestagswahl verlieren SPD und Grüne und büßen damit ihre Koalitionsmehrheit ein. Aber auch CDU/CSU verlieren, während FDP und die Linke hinzugewinnen.
22. November
Der Bundestag wählt mit der Mehrheit einer großen Koalition aus Union und SPD Angela Merkel (CDU) zur Kanzlerin.
(Zusammengestellt von Jörn Poltz. Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)