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20.12.2024 /17:08:36
FOKUS 1-Schweiz und EU einigen sich auf Handels-Abkommen

(Neu: Von der Leyen, Einzelheiten, SVP)

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Schweiz darf Zuwanderung begrenzen

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Schweiz muss fast drei mal höhere Beiträge zahlen

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Schweizer Volksabstimmung möglicher Stolperstein
 
Bern, 20. Dez (Reuters) - Nach monatelangen zähen
Verhandlungen hat sich die Schweiz mit der Europäischen Union
(EU) auf eine Vertiefung der Handelsbeziehungen geeinigt. Gemäß
der Vereinbarung räumt die EU der Schweiz die Möglichkeit ein,
Maßnahmen gegen eine zu starke Zuwanderung zu ergreifen. Zudem
darf sie die hohen Löhne in dem Land schützen. Und schließlich
erzielte das Land in den Verhandlungen auch Ausnahmen zum Schutz
ihrer Interessen in den Bereichen Landverkehr, Landwirtschaft
und Strom. "Heute wurden die letzten Fragen geklärt. (...) Ich
bin sehr froh, dass wir zu einem guten Abschluss gekommen sind,"
sagte Bundespräsidentin Viola Amherd am Freitag auf einer
Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen.

Als Gegenleistung für den Zugang zum riesen EU-Binnenmarkt muss die Schweiz mehr Geld für Projekte in EU-Ländern überweisen. Für den Zeitraum 2030 bis 2036 vereinbarten die beiden Seiten einen jährlichen Betrag von 350 Millionen Franken. Gegenwärtig sind es nur 130 Millionen Franken. "Dieses Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz ist historisch", erklärte von der Leyen. Die geopolitische Spannungen von der Ukraine über den Nahen Osten bis nach Asien wirkten sich auf die Schweiz genauso aus wie auf die 27 Mitgliedstaaten. "Vor diesem herausfordernden Umfeld sind kraftvolle Partnerschaften wie die unsere nicht nur von Vorteil, sie sind ein Muss."

Die Schweizer Regierung erreichte in den Verhandlungen eigenen Angaben zufolge alle ihre Ziele. So könne die Zuwanderung auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet werden. Steige etwa die Arbeitslosigkeit in der Schweiz um ein halbes Prozent an, könne die Immigration gegenseitig für drei Jahre begrenzt werden, erklärte eine Spitzenbeamtin.

Gute Beziehungen zum wichtigsten Handelspartner sind für die exportabhängige Schweizer Wirtschaft entscheidend, rund die Hälfte der Ausfuhren gehen in die EU. Umgekehrt ist die Schweiz der vierwichtigste Exportmarkt der EU. Trotz der wirtschaftlichen Verflechtung ist eine Annäherung an die EU in der Schweiz umstritten. Während die Wirtschaft Arbeitskräfte braucht, beklagen viele den "Dichtestress" - volle Züge, Wohnungsnot und Ängste um ein Verlust der Identität treiben das Land um, in dem über ein Viertel der Bevölkerung keine Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt. Im vergangenen Jahr kletterte die Zuwanderung auf den höchsten Stand der vergangenen sechs Jahrzehnte. Inzwischen leben neun Millionen Menschen in dem kleinen Land.

In trockenen Tüchern ist der Deal noch nicht. Der formelle Abschluss der Verhandlungen ist für Frühling 2025 geplant. Danach sind die Parlamente der beiden Seite an der Reihe, in der Schweiz dürfte dies der Regierung zufolge Anfang 2026 der Fall sein. Die nächste Hürde ist dann wohl eine Volksabstimmung in der Schweiz. Die größte Partei der Schweiz, die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei, hat bereits Widerstand angekündigt: "Die Schweiz der Krisen-EU ausliefern, fremde Richter und dafür noch Milliarden nach Brüssel zahlen? Sicher nicht, Frau Bundespräsidentin Viola Amherd!", hieß es in einer Mitteilung.

(Bericht von Oliver Hirt, Dave Graham, Philip Blenkinsop und Bart Meijer. Redigiert von Hans Busemann Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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