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24.09.2024 /10:29:04
SPOTANALYSE-Ökonomen zum erneuten Rückgang des Ifo-Index

Berlin, 24. Sep (Reuters) - Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich auch im September weiter verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima sank auf 85,4 Zähler von 86,6 Punkten im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag mitteilte. Es war bereits der vierte Rückgang in Folge. Von Reuters befragte Fachleute hatten nur mit einem Minus auf 86,0 Zähler gerechnet. In ersten Reaktionen hieß es dazu:

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:
"Der erneute deutliche Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas
ist eine kalte Dusche. Dieser wichtige Frühindikator weist jetzt
im Trend wieder klar nach unten. Das deutsche
Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Halbjahr bestenfalls
stagnieren. Zwar lässt im kommenden Jahr der Gegenwind von der
Geldpolitik und den Energiepreisen nach. Aber mit einem Plus von
nur 0,5 Prozent ist wegen der seit Jahren erodierenden
Standortqualität kein richtiger Aufschwung in Sicht."
 
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

"Die schiere Zahl an Problemen zeigt schon, eine rasche Besserung ist nicht zu erwarten. Mutige Reformschritte könnten unzweifelhaft für Milderung sorgen. Dazu gehört ein radikaler Abbau von bürokratischen Lasten und viel Geld für eine gute Schul- und Integrationspolitik, um die massiven Folgen des demografischen Wandels abzufedern. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt wird in den kommenden Quartalen wohl wieder häufiger mit einem negativen Vorzeichen aufwarten."

FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW-CHEFVOLKSWIRTIN:

"Die trübe Stimmung erklärt sich aus der Vielzahl transformativer Herausforderungen und gleichzeitig starkem Gegenwind im internationalen Handel. Dies schließt den gestiegenen Wettbewerbsdruck durch China und seine industriellen Überkapazitäten ein. Trotz der weiteren Stimmungseintrübung sind die Voraussetzungen für eine moderate, zunächst vor allem vom Konsum gestützte Erholung weiterhin intakt."

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:

"Stimmungsseitig wird es immer bedrohlicher, die Gefahr einer Rezession nimmt zu. Vor allem die erneut miserable Lagebeurteilung sorgt für Ohnmacht. Die Erwartungen machen deshalb weiter den Abflug, weil es schlicht kein Licht am Ende des Tunnels gibt. Eine Stimmungswende liegt weiter in den Sternen. Das deutsche Geschäftsmodell ist überholt, Strukturprobleme sind groß und die Politik verunsichert. Der allgemeine Trend zu sinkenden Wachstumsprognosen dürfte sich daher fortsetzen. Damit rückt auch der Arbeitsmarkt immer mehr in den Fokus. Die Kurzarbeit in der Industrie dürfte ebenso wie Stellenkürzungspläne weiter zunehmen. Deutschlands Wirtschaft ist in einer schweren Krise, Kapazitätsabbau und Standortverlagerungen erscheinen als neuer Zeitgeist."

JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:

"Diese Zahl ist noch schlechter als sie aussieht. Der erneute Rückgang des Geschäftsklimas ist schon ernüchternd genug. Dazu kommt, dass speziell der Lageindex von ohnehin niedrigem Niveau nochmals deutlich gefallen ist. Für das dritte Quartal mehren sich die Zeichen für eine rückläufige Wirtschaftsleistung in Deutschland. Es ist gut möglich, dass die jüngsten Daten sogar die EZB dazu veranlassen, eine erneute Zinssenkung schon im Oktober ernsthaft ins Auge zu fassen. Allerdings hat die hiesige gewerbliche Wirtschaft derzeit ein Strukturproblem, so dass eine Lockerung der Geldpolitik allein nicht genügen wird, um für Deutschland Wachstumsimpulse zu setzen."

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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